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2013/05/03 Mythen und Fakten zur mobilen Videoüberwachung
Stand: 03.05.2013
Systematik und Verwendungszweck sind entscheidend - Touristische und private Aufnahmen weiterhin erlaubt - Videoüberwachung zu Beweissicherung und Eigentumsschutz zulässig - Öffentliche Überwachung bleibt Aufgabe der Sicherheitsbehörden - gerichtliche Beweiswürdigung erfolgt unabhängig von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen

Zahllose Reaktionen zu privatem "Street-View"

Großes Echo und zahllose Missverständnisse verursachte der Bericht der ARGE DATEN zur mobilen Videoüberwachung aus Privat-PKWs. In der Entscheidung der Datenschutzkommission (DSK) K600.319-005/002-DSV/2012 (http://ftp.freenet.at/privacy/ds-at/DSK-K600.319-005_002-DVR_...) wurde die Genehmigung einer Videoüberwachung aus einem fahrenden Privat-Auto heraus, abgelehnt.

Geplanter Zweck der Videoüberwachung war Schutz des PKW, sowie die Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten (siehe http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...).

Die große Zahl von Anfragen zu diesem Thema zeigte grundlegende Missverständnisse bei den gesetzlichen Regeln zur Videoüberwachung, daher kurz zusammengefasst Mythen und Fakten zur Videoüberwachung.


Besonderheit der Datensammlung durch Videoüberwachung

Anders als andere Datenanwendungen, erfassen Videoüberwachungen präventiv, ohne jeglichen Verdacht, sämtliche Personen, die sich im Kamerabereich aufhalten.

Während in einer Kundendatei ausschließlich die Daten von Kunden / in einer Mitarbeiterdatei ausschließlich jene von Mitarbeitern verarbeitet werden, erfassen Videoüberwachungen vornehmlich Personen, die nicht erfasst werden sollen.

Die geplante, oben zitierte mobile Videoüberwachung hätte alle Verkehrsteilnehmer im Umfeld des Autos erfasst. Nur in wenigen Ausnahmefällen - wenn überhaupt - wäre ein Unfall gefilmt worden. Schließlich sind Unfälle seltene Ausnahmesituationen die nicht zum Autofahreralltag gehören wie z.B. das Tanken.


Videoüberwachung erzeugt Überwachungsdruck

Der OGH hat in zahllosen Entscheidungen immer wieder festgestellt: Videoüberwachungen erzeugen einen starken Überwachungsdruck. Menschen fühlen sich in Gegenwart von Kameras unbehaglich und beobachtet. Ähnlich wie Menschen, die über die Schulter schauen, sind Kameras die ständig alles aufzeichnen unerwünscht.

Aus diesem Grund hat der OGH in der Vergangenheit sogar bestimmte Videoattrappen als unzulässig erachtet. Beobachtete Personen können nicht wissen, dass es sich lediglich um eine Attrappe handelt und fühlen sich genau so beobachtet und bespitzelt wie von einer echten Kamera. Mehr dazu in „OGH entscheidet - „Videoattrappe“ stellt Eingriff in Persönlichkeitsrechte dar“ (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...).


Umfang und Systematik bestimmen Videoüberwachung

Eine Videoüberwachung iSd Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) liegt vor, sofern systematisch und fortlaufend Bildaufnahmen angefertigt werden (§§ 50a ff DSG 2000). Im Falle der mobilen PKW-Überwachung wäre jede Fahrt systematisch und fortlaufend ohne konkreten Anlass aufgezeichnet worden. Aus diesem Grund hat die DSK festgestellt, dass die Videoüberwachungsbestimmungen des DSG 2000 Videoüberwachung zur Anwendung kommen.

Videos die aus Anlass spezieller familiärer Feiern (z.B. Hochzeiten oder Geburtstagen) angefertigt werden erfolgen hingegen nicht systematisch. Schließlich trifft die filmende Person stets die Entscheidung was gefilmt werden soll und was nicht.

Auch Touristen filmen nicht ständig alles, was um sie herum geschieht, sondern wählen besondere Sehenswürdigkeiten aus, um diese als Erinnerung festzuhalten. Gleiches gilt für Sportler die mittels Helmkamera (Dash-Cams) Aufzeichnungen durchführen. Für diese ist der Weg z.B. zu einer Skipiste ebenfalls uninteressant, es wird lediglich die spannende Abfahrt gefilmt. Bei diesen Arten von Aufnahmen handelt es sich nicht um Videoüberwachungen im Sinne des Gesetzes - das DSG 2000 kommt nicht zur Anwendung.

Persönlichkeitsrechte sind in diesem Fall weiterhin zu beachten, so dürften derartige Aufnahmen, bei denen fremde Menschen erkennbar sind, nicht ohne deren Zustimmung auf YouTube & Co veröffentlicht werden.


Ziel und Zweck entscheidet über Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung

Gemäß Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) dürfen Daten immer nur für einen bestimmten, rechtmäßigen Zweck verarbeitet werden (§ 6 Abs 1 Z 2 DSG 2000). Rechtmäßig ist ein Verarbeitungszweck dann, wenn es eine rechtliche Grundlage (z.B. ein Gesetz) für die Verarbeitung der Daten gibt. Aber auch überwiegende berechtigte Interessen können die Verwendung von Daten legitimieren.

Geplanter Zweck der mobilen Videoüberwachung war, der Schutz des eigenen Fahrzeugs sowie das Festhalten eines potentiellen Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Es sollten gezielt andere Verkehrsteilnehmer / Personen erfasst, beobachtet und bespitzelt werden. Dieser Verwendungszweck lässt sich nicht mit Aufnahmen vergleichen, die Touristen von Sehenswürdigkeiten machen, um sie ihren Verwandten zu zeigen. Im Fall von touristischen bzw. sportlichen Aufnahmen, stellen Passanten nämlich, in den meisten Fällen unerwünschte, Begleiterscheinungen dar, stehen aber nicht im Mittelpunkt der Beobachtung.

In Österreich gibt es kein Gesetz, das die verdachtslose Bespitzelung anderer Verkehrsteilnehmer in der Öffentlichkeit erlauben würde. Ein überwiegendes berechtigtes Interesse, sämtliche Verkehrsteilnehmer rund um das eigene Fahrzeug zu filmen, nur weil diese unter Umständen an einem Unfall beteiligt sein könnten, besteht ebenfalls nicht. Videoüberwachungen zu diesem Zweck sind daher unzulässig.


Präventivüberwachung verboten - Beweissicherung weiterhin erlaubt

Die Sicherung von Beweisen, nach einem Unfall, war nicht Gegenstand der DSK-Entscheidung. Diese ist nach wie vor zulässig.

Beweissicherung mittels Video bzw. Fotoaufnahmen stellt keine Videoüberwachung iSd. DSG 2000 dar. Derartige Aufzeichnungen erfolgen weder systematisch noch fortlaufend, sondern ausschließlich Einzelfallbezogen nach einem konkreten Anlassfall.

Die Sicherung von Beweisen, im Anschluss an einen Unfall, stellt gleichzeitig ein überwiegendes berechtigtes Interesse dar, es besteht ein rechtlich zulässiger Zweck, wodurch der Eingriff in die Privatsphäre der anderen Unfallbeteiligten gerechtfertigt ist. In der Regel werden dabei auch keine Daten von Personen erfasst, die nicht am Unfall beteiligt waren.

Die systematische Aufzeichnung unzähliger Verkehrsteilnehmer (Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, etc.), einzig aus dem Grund, dass diese womöglich an einem Unfall beteiligt sein könnten, steht hingegen in keinem Verhältnis zur Verletzung von deren Privatsphäre. In diesem Fall werden nämlich hauptsächlich Personen erfasst die nicht an einem Unfall beteiligt sind. Für derartige Videoüberwachungen fehlt es klar an einem überwiegenden berechtigten Interesse, einem rechtmäßigen Zweck - weshalb sie von der Datenschutzkommission als unzulässig erachtet wurden.


Videoüberwachung zum Eigentumsschutz zulässig

Schutz von Eigentum stellt ein überwiegendes berechtigtes Interesse dar, welches Eingriffe in die Privatsphäre anderer rechtfertigt. Die Videoüberwachung des eigenen Hauses oder der eigenen Wohnung ist somit zulässig. Aufgrund einer entsprechenden Standardanwendung sind derartige Videoüberwachungen sogar von der generellen Registrierungspflicht für Videoüberwachungen ausgenommen. Mehr dazu in dem Artikel „Darf zum Eigentumsschutz mittels Video überwacht werden?“ (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...).

Entscheidend ist aber, dass nur das eigene Eigentum überwacht werden darf. Während es erlaubt ist, den Eingangsbereich des eigenen Hauses zu filmen, ist es nicht erlaubt die öffentliche Straße vor dem Haus zu überwachen. So wäre es unzulässig, durch eine Glastür oder ein Fester hindurch zu filmen, um festzustellen, welche Personen sich auf dem öffentlichen Gehsteig vor dem Haus befinden. Im Unterschied zum eigenen Haus gehört der Gehsteig nicht zum Eigentum einer Person. Hier fehlt es an einem berechtigten Interesse diesen zu überwachen.

Gleiches gilt im Fall der mobilen PKW Überwachung. Die Überwachung des öffentlichen Raums, der Straße um das Auto herum, ist für Privatpersonen - mangels Rechtsgrundlage -  unzulässig. Mehr dazu in dem Artikel „Unter welchen Kriterien ist Videoüberwachung zulässig?“ (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...).

Anders wäre der Fall zu beurteilen gewesen, wenn ausschließlich der Innenraum des Autos gefilmt worden wäre, z.B. um Autodiebe abzuschrecken bzw. zu erfassen. Hier wäre schließlich nur Privateigentum - aber nicht öffentlicher Raum - gefilmt worden.


Datenschutzkommission als Täterschutzkommission?

Vielfach wurde kritisiert, dass durch das Verbot der mobilen PKW Überwachung, das Aufklären von Unfällen bzw. die Bestrafung von Verkehrssündern erschwert wird. Die Datenschutzkommission wurde als Täterschutzorganisation bezeichnet die Verkehrssünder vor der Verfolgung beschützen wollte. Dies ist schlicht falsch.

Entgegen mancher Wahrnehmung schützt die DSK mit dieser Entscheidung nicht die Interessen der Verkehrssünder, sondern die Rechte der unbeteiligten Personen. Denn  in der überwiegenden Mehrzahl, wenn nicht sogar ausschließlich, wären Verkehrsteilnehmer erfasst worden, die sich nichts zu Schulden kommen ließen und keine Verkehrssünder sind.

Die Verfolgung und Bestrafung von Verkehrssündern ist nach wie vor Aufgabe der Sicherheitsbehörden - nicht von Privatpersonen. Schließlich will niemand von einem anderen Autofahrer angehalten und womöglich zur Kasse gebeten werden, nur weil dieser, aufgrund von Kameraaufnahmen, ein vermeintliches Fehlverhalten festgestellt haben will.

Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass auch die Sicherheitsbehörden nicht dazu berechtigt sind, die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung mittels Videoüberwachung zu kontrollieren. Hier fehlt es ebenfalls an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage.


Zweierlei Maß - sorgt für Verwunderung

Die Pläne von Verkehrsministerin Doris Bures, die Bildung der Rettungsgasse mittels 800 Videokameras zu überprüfen und Personen die, die Bildung behindern bestrafen zu lassen, sorgten vor knapp einem Monat noch für breite Entrüstung. Das Verbot einer mobilen privaten Videoüberwachung wird hingegen fälschlicherweise als Beschneidung grundlegender Privatrechte erachtet.

Im Ergebnis werden 800 fix installierte Kameras auf Autobahnen als größere Bedrohung wahrgenommen als potenzielle 4,6 Millionen mobile Kameras in PKW (Quelle: Statistik Austria; per 31.03.2013 zugelassene PKW). Bei gleichem Recht für alle hätten sogar mehr als 12 Millionen mobile Kameras auf Österreichs Straßen und Radwegen unterwegs gewesen sein können (Quelle: BMVIT, Statistik Austria; Summe von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern).


Verwendung von Videobeweisen vor Gericht

Für Verwirrung sorgt auch die Frage, wann und in welchem Umfang Videoaufnahmen zu Beweiszwecken vor Gericht verwendet werden dürfen. Insbesondere in Zivilverfahren gibt es in Österreich keine Beweisverwertungsverbote, Beweise unterliegen ausschließlich der freien Beweiswürdigung durch den Richter.

Videoaufzeichnungen unter Missachtung des DSG 2000 stellen Verwaltungsübertretungen dar und können mit bis 25.000,- Euro Verwaltungsstrafe bedacht werden. Trotzdem können sie vor Gericht als Beweis zugelassen werden. Die Vorstellungen vieler ÖsterreicherInnen, geprägt durch US-Filme, das rechtswidrige Beweise automatisch von Gerichtsverfahren ausgeschlossen sind, gilt in Österreich nicht.

Anders verhält es sich bei illegal beschaften Tonaufnahmen. Dies wäre ein strafrechtlicher Verstoß. Legt jemand derartige Aufnahmen bei Gericht vor, kann er das "Glück" haben, dass sie als Beweis zugelassen werden, wird aber mit Sicherheit das "Pech" haben, dass er parallel zum Verfahren sicher mit einer Strafanzeige konfrontiert wird.


Fazit

Videoüberwachung greift besonders schwer in die Privatsphäre ein, da diese für einen ständigen Überwachungsdruck sorgt. Darüber hinaus werden von Videoüberwachungen in der Regel Personen erfasst, die nicht Gegenstand der Videoüberwachung sein sollen. Aus diesen Gründen sind die gesetzlichen Bestimmungen zur Videoüberwachung besonders streng. Von einigen Ausnahmen abgesehen unterliegen sie somit aus gutem Grund der Vorabkontrolle durch die Datenschutzkommission.

In ihrem Bescheid K600.319-005/002-DSV/2012 (http://ftp.freenet.at/privacy/ds-at/DSK-K600.319-005_002-DVR_...) hat die DSK ausschließlich festgestellt, dass Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch Privatpersonen - mangels Rechtsgrundlage - unzulässig ist. Das Recht, nach einem Unfall Beweise zu sichern, Privateigentum mittels Videoüberwachung zu schützen, Aufnahmen bei Hochzeiten oder sportlichen Ereignissen zu erstellen, wurde und wird nicht in Abrede gestellt.

Die Überwachung des öffentlichen Raums obliegt, in engen gesetzlichen Grenzen, einzig den Sicherheitsbehörden. Von dieser Ausnahme abgesehen haben Herr und Frau Österreicher das verfassungsmäßige Grundrecht, unbeobachtet durch die Straßen zu wandern oder diese zu befahren ohne das ständige Gefühl beobachtet zu werden.

mehr --> DSK 07.11.2012, K600.319-005/002-DVR/2012

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