2019/03/26 Österreich stellt Fakenews unter Datenschutz! DSGVO EW 153, Art 85, DSG § 9, MedienG § 1
Regelung zur Meinungsfreiheit im österreichischen DSG führt de facto zur Nicht-Anwendung von Datenschutzbestimmungen auf Webseiten - DSB-Entscheidung beruft sich auf diese Ausnahme - begünstigt kritische Berichterstattung genauso wie Fake-News und dubiose soziale Medien - Datenschutzlücke rasch schließen
Sonderregelungen zur Meinungsfreiheit
Privatsphäre und Meinungsfreiheit stehen nicht erst seit Erfindung des Computers in einem Spannungsfeld. Schon 1890 formulierten - angesichts der entstehenden Kleinbildfotographie - Warren/Brandeis in der Harvard Law Review ein "right to be let alone" (The Right to Privacy).
Grundsätzlich regelt die DSGVO jede Verwendung von persönlichen Daten, auch von Politikern oder anderen Personen des öffentlichen Lebens. Um jedoch den vielfältigen Aufgaben von Medien gerecht zu werden, erlaubt DSGVO Art. 85 den Nationalstaaten Ausnahmen für Medien bei einzelnen Datenschutzbestimmungen zu formulieren. Unter anderem kann die Zweckbindung vereinfacht werden, ebenso die Betroffenenrechte, Sicherheitsbestimmungen oder die Verpflichtungen Verarbeitungsverzeichnisse zu führen.
Auch die Einwilligung kann für Medien abweichend gestaltet werden. Klarerweise wäre eine kritische Berichtertattung über politische Tätigkeiten nicht möglich, müsste vorab jeder Politiker um seine Erlaubnis gefragt werden.
Österreich geht eigenwilligen Weg
In den chaotischen Parlamentstagen knapp vor Mai 2018 wurden - husch, pfusch - diese wichtigen Punkte nicht gezielt für Medien angepasst, sondern pauschal außer Kraft gesetzt. Mediendienste müssen sich um Zweckbindung, Zustimmung, Betroffenenrechte, Datensicherheit usw überhaupt nicht mehr kümmern.
Übersehen wurde, dass als Mediendienst nicht nur die großen Flagschiffe ORF, Krone, Standard, APA, ... anzusehen sind, sondern - gemäß Mediengesetz - jede inhaltlich gestaltete Webseite. Unabhängig vom Umfang, von der weltanschaulichen Ausrichtung oder vom Wahrheitsgehalt. Gerüchte, Meinungen, Fakenews bis hin zu Hasspostings sind nunmehr datenschutzrechtlich privilegiert und vom Gesetzgeber auf dieselbe Ebene gestellt, wie seriöse Berichterstattung.
ALle Webseiten von NGOs, Parteien, Influencer-Blogs bis hin zu Facebook-Postings fallen unter dieses "Medienpriileg".
Hans G. Zeger, Obmann ARGE DATEN: "Die Regelung hat katastrophale Auswirkungen für den 'einfachen' Bürger. Statt einfacher Beschwerderechte nach der DSGVO muss er strafrechtliche Bestimmungen des Medienrechts oder des Strafrechts bemühen. Hier liegt - aus gutem Grund - die Latte sehr viel höher."
Zwar wird ein Betroffener weiterhin Mobbing, Verleumdungen, Beschimpfungen oder Kreditschädigung straf- oder zivilrechtlich verfolgen können. In diesen Verfahren muss er jedoch Vorsatz, Schaden und Täterschaft beweisen.
Wird hingegen eine Person nur "ironisch", durch bloße Nennung seines Namens in einem unerwünschten Kontext oder in Form von Fragen "durch den Cacao" gezogen (sprich an die Öffentlichkeit gezerrt), besteht heute kein Rechtsschutz mehr.
Datenschutzbehörde greift Ausnahmeregelung freudig auf
Wie eine bisher kaum beachtete Entscheidung der Datenschutzbehörde zeigt (DSB-D123.077/0003-DSB/2018) besteht dieses Rechtsschutzdefizit nicht nur in der Theorie.
Ein Betroffener verlangte im Zusammenhang mit seinem Namen die Löschung von Online-Postings. Das Medienunternehmen verweigerte dies unter Berufung auf Meinungsfreiheit und Forums-Regeln. Der Betroffene brachte eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein. Diese beschäftigte sich jedoch nicht inhaltlich mit der Beschwerde sondern stellte das Verfahren unter Berufung auf § 9 DSG ("Medienprivileg") ein.
Hans G. Zeger: "Selbstverständlich kann sich nicht jede Person aus der öffentlichen Berichterstattung herausreklamieren. Wir hätten dann nach kürzester Zeit Orwellsche Zustände, in denen jeden Tag die Geschichte neu umgeschrieben wird. Gerade bei Online-Foren und Benutzerpostings sollten jedoch auch Einsicht und Lernkurve beachtet werden. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden Posting, die am nächsten Tag als unangemessen eingeschätzt werden, zu sperren, zu anonymisieren oder auf andere intelligente Art unerwünschten Personenbezug zu entfernen. Dies wäre wohl auch ein Beitrag zur Entspannung der oft hitzigen Online-Diskussionen."
Österreichische Regelung wohl nicht EU-konform
Nimmt man die Bestimmungen der DSGVO ernst, dann ergibt sich eindeutig, dass Österreich verpflichtet ist auch für den Medienbereich für angemessenen Datenschutz zu sorgen. Erwägungsgrund 153 der DSGVO spricht eine klare Sptrache "Im Recht der Mitgliedstaaten sollten die Vorschriften über die freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, [...,] mit dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten gemäß dieser Verordnung in Einklang gebracht werden. [...] Die Mitgliedstaaten sollten daher Gesetzgebungsmaßnahmen zur Regelung der Abweichungen und Ausnahmen erlassen, die zum Zwecke der Abwägung zwischen diesen Grundrechten notwendig sind."
"In Einklang bringen" bedeutet wohl nicht Datenschutzrechte außer Kraft setzen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, dass Beschwerdeverfahren beim EuGH landen. Angesichts der dort sehr datenschutzfreundlichen Rechtssprechung mit erwartbaren Ergebnis und Österreich hat ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren am Hals.
Sanierung überfällig
Es ist höchst bedenklich, wie fahrlässig Österreich mit zentralen Grundrechten der Informationsgesellschaft umgeht. Anstatt zu Informationsfreiheit, Meinungsfreiheit und Privatsphäre ein zeitgemäßes Rechtsschutzpaket zu schaffen, werden sowohl informationstechnische, als auch europäische Entwicklungen ignoriert.
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