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2004/05/10 Ende der Begutachtungsfrist zum Sicherheitspolizeigesetz
ARGE DATEN gibt ablehnende Stellungnahme ab - Wegweiserecht kann Bewegungsfreiheit unzumutbar einschränken - Videoüberwachung bloß teurer Populismus - Unsinniges BMI-Konzept der 'Kriminalitätsschwerpunkte' - Ersatzlose Streichung der Präventivparagraphen gefordert

Anfang der Woche endete die Begutachtungsfrist zum SPG. Neben der Ablehnung der Vidoeüberwachung steht das berüchtigte Wegweiseverbot im Zentrum der kritischen Stellungnahme der ARGE DATEN.


Warum ist staatliche Videoüberwachung abzulehnen?

Wie mehrfach berichtet ist die Videoüberwachung ein teurers und letztlich wirkungsloses Instrument in der staatlichen Verbrechensbekämpfung. Während bei Privaten (Personen und Unternehmen) das Sicherheitsziel schon dann erreicht ist, wenn gemäss dem Florianiprinzip potentielle Täter abgeschreckt und vertrieben werden, ist ein derartiges Konzept im staatlichen Rahmen unsinnig und wirkungslos. Umgekehrt führen Videoüberwachungen, das Gefühl der laufenden Beobachtungen, zu Eingriffen in das persönliche Verhalten. Auch sozial und kulturell abweichendes Verhalten wird rascher identifiziert und von den Videoplätzen verdrängt.

Ein einzelnes Geschäft, eine Bankfiliale oder ein Gebäude kann durch ein mehr oder minder umfangreiches Video-Netz so überwacht werden, dass Täter das Objekt meiden. Sie wenden sich anderen, weniger stark überwachten Objekten zu. Gut für das überwachte Geschäft, schlecht für die Gesamtkriminalität.

Die Aufgabe eines Innenministers ist es jedoch für das gesamte Bundesgebiet die Sicherheit zu erhöhen und die Kriminalität zu senken und nicht bloß Tatorte mittels teurer Technik zu verschieben. Eine flächendeckende Videoüberwachung - auch nur städtischer Ballungszonen -  ist weder finanzierbar noch personell betreibbar, also wird Videoüberwachung immer nur punktuell eingesetzt werden können. Das Konzept des BMI 'Kriminalitätsbrennpunkte' verstärkt zu überwachen ist schon deswegen zum Scheitern verurteilt, weil sich diese Brennpunkte bei Überwachung sofort verschieben.

Staatlich finanzierter Videoeinsatz führt bloß zur sozialen Säuberung einzelner Geschäfts- und Kommunalflächen und ist letztlich eine Subvention einiger weniger Anrainer, die eine Überwachung ihrer Gegend durchsetzen können und damit 'Asozial'-frei. Andere Stadtbereiche werden durch das mehr an Ausweich-Kriminalität abgewertet. Videoüberwachung fördert soziale Trennung und erhöht die Spannungen zwischen verschiedenen Gesellschafts- und Einkommensschichten und kulturellen Lebensformen. In Summe wird ein mehr an Videoüberwachung weiterhin zu einem Anstieg der Gesamtkriminalität führen.


Bedenkliche Schutzzonen

Die im vorliegenden Entwurf vorgesehen Schaffung von sogenannten Schutzzonen erscheint aus mehreren Gründen sehr bedenklich:
Der im Entwurf verwendete Begriff 'Schutzzone' ist unklar und wird widersprüchlich definiert. Nach §36a Abs. 1 können Orte, an denen Menschen in besonderem Ausmaß von strafbaren Handlungen (die nicht direkt gegen die betroffene Person gerichtet sein müssen) bedroht sind, zu Schutzzonen erklärt werden. Als Beispiel werden in der Folge Schulen, Kindergärten und Kindertagesheime angeführt. In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt, dass auch Orte an denen sich besonders schutzwürdige Personen aufhalten als Schutzzone in Frage kommen. Eine Einschränkung auf solche Orte lässt sich allerdings aus dem Text des Entwurfs nicht ableiten.

Als Anlass für die Einrichtung von Schutzzonen werden strafbare Handlungen nach dem Strafgesetzbuch, dem Verbotsgesetz und nach dem Suchtmittelgesetz angeführt. Eine Einschränkung auf besondere Delikte erfolgt nicht. Diese sehr weite Formulierung eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit an vielen Orten Schutzzonen einzurichten. So könnte jeder Geschäftsbesitzer argumentieren, dass sein Geschäftslokal bezüglich der Begehung von Eigentumsdelikten in besonderem Ausmaß bedroht ist. Auf diese Weise könnte vor allem in Städten durch die Überlappung von Schutzzonen bestimmten Personen das Betreten ganzer Bezirke verboten werden.

Um eine Person vom Betreten einer Schutzzone auszuschließen könnte es, laut informierter Vertreter des Innenministeriums genügen, dass Schulwarte auf 'verdächtige und bekannte Personen' hinweisen. Eine richtiggehende Blockwartbestimmung, die Nachbarn, Geschäftsbesitzer und Hauswarte zur Denunziation unbeliebter Personen geradezu einlädt.

Im Entwurf ist kein Mechanismus vorgesehen, der es betroffenen Personen ermöglichen würde sich gegen ein ausgesprochenes Betretungsverbot zu wehren. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass auf berechtigte Interessen Bedacht zu nehmen sei. Die Beweislast für ein solches berechtigtes Interesse liegt allerdings beim Betroffenen. Dass bei einer solchen u.U. sehr drastischen Maßnahme keine Rechtsbehelfe für Betroffene vorgesehen sind, erscheint aus rechtsstaatlicher Sicht als äußerst bedenklich.

Eine Kontrolle der eingerichteten Schutzzonen ist nur mit massiven Eingriffen in die Privatsphäre aller Personen, die sich in einer Schutzzone befinden bzw. diese betreten wollen, möglich. In der vorgeschlagenen Z8 zum §35 Abs. 1 findet sich diesbezüglich eine allgemeine Ermächtigung die Identität von Personen festzustellen, um überprüfen zu können, ob sich ein Betroffener in einer Schutzzone befindet.

Von diesen Eingriffen in die Privatsphäre wären sowohl die Adressaten eines Betretungsverbots als auch alle anderen Bürger betroffen. Die präventive Verhängung eines Betretungsverbots greift aber auch in andere Grundrechte der davon betroffenen Personen ein. Insbesondere das Recht auf Freizügigkeit wird für die betroffenen Personen massiv eingeschränkt, ohne dass diesbezüglich eine Rechtfertigung für diesen Grundrechtseingriff vorliegt.

Im Hinblick auf eine wirkungsvolle Prävention von strafbaren Handlungen leistet das Schutzzonenkonzept keinen eigenständigen Beitrag. Eine wirksame Überwachung definierter Schutzzonen könnte nur mit einem entsprechend erhöhten Personaleinsatz bewerkstelligt werden. Wenn die finanziellen Mittel für die Verbrechensbekämpfung entsprechend erhöht würden, könnte eine wirkungsvollere Prävention wohl auch ohne Schutzzonen erreicht werden. Die Entwicklungen der letzten Zeit im Personalbereich der Sicherheitsbehörden lässt dies allerdings als unwahrscheinlich erscheinen. Insofern ist die vorgeschlagene Regelung unabhängig von allen anderen Bedenken verzichtbar.

Zusammenfassend ist die Idee präventiv einzelne Personen von bestimmten Orten fernhalten zu wollen, abzulehnen. Alle im Entwurf erwähnten strafbaren Handlungen können im Rahmen des geltenden Rechts verfolgt werden, wobei gerade im Strafrecht den geltenden Normen auch eine präventive Funktion zukommt. Im vorliegenden Entwurf kommt dagegen ganz offensichtlich ein aus unserer Sicht unbegründetes Misstrauen gegenüber den bestehenden Mechanismen der Strafverfolgung und Prävention zum Vorschein.


Schlussfolgerung zum Entwurf

Der vorliegende Entwurf ermöglicht eine Reihe von Maßnahmen, die angeblich präventiven Charakter haben sollen, in der Realität allerdings nur einen vernachlässigbaren Beitrag zu mehr Sicherheit leisten werden. Zur Erreichung dieser Ziele werden allerdings erhebliche und teilweise sehr bedenkliche Eingriffe in die Grundrechte einzelner Personen vorgesehen. Das Grundprinzip der Verhältnismäßigkeit, das üblicherweise bei Eingriffen in Grund- und Menschenrechte vorgesehen ist, wird im vorliegenden Entwurf in keinster Weise beachtet.

Weiters wären für eine wirkungsvolle Implementierung der vorgeschlagenen Maßnahmen
enorme finanzielle Mittel notwendig, die in anderen Bereichen wesentlich sinnvoller
verwendet werden könnten.

Die ARGE DATEN fordert deshalb die ersatzlose Streichung der Ziffern 13-16, 18 und 20 des vorliegenden Entwurfs.


mehr --> http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/StellungnahmeSPGNovelle.pdf

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