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2002/11/05 Videoüberwachung - 'Nagelprobe' für Datenschutzrat
In Österreich weiterhin Wildwuchs an Videoüberwachungseinrichtungen - Viele Regelungslücken - In Wiener Innenstadt schon eine Kamera pro 100 Einwohner - Überwachungserfolge in Großbritannien gering - Datenschutzrat zur Problematik bisher nicht orientiert

Initiative zur Kontrolle der Videoüberwachung gesetzt

Während in den meisten EU-Ländern auf die spezifischen Probleme, die sich aus der Videoüberwachung ergeben, längst mit eigenen Regelungen reagiert wurde, wird das Problem in Österreich völlig ignoriert.

Nicht in allen Ländern sind die Regelungen geglückt, doch dokumentieren die einzelnen Regelungen das Verhältnis und die Einstellung der Gesellschaft zum Schutz der Privatsphäre. Die Weigerung, auf langjährige technische Entwicklungen zu reagieren, kommt einem Offenbarungseid der politischen Kultur gleich.

Trotz fehlender amtlicher statistischer Unterlagen, kann dass Vidoüberwachungspotential für Östereich abgeschätzt werden. Rund 5.000 Kameras dürften direkt öffentliche Bereiche, wie Fußgängerzonen, Parks und Plätze überwachen, mindestens weitere 5.000 Kameras der Strassen-Verkehrsüberwachung dienen.

Wesentlich höher sind die Installationszahlen, wenn alle öffentlich zugänglichen Bereiche, also Sportstätten, Schwimmbäder, Kaufhäuser, Restaurants, Trafiken, Banken, Garagen usw. hinzugerechnet werden. Allein im Bankenbereich liegt die Installationszahl bei über 10.000 Kameras, insgesamt umfaßt diese Gruppe etwa 100.000 Installationen.

Eine weitere Gruppe umfassen die Zutritts- und Objektschutzkameras, die an den Aussenwänden von Gebäuden angebracht sind. Hier liegt die Zahl um 50.000 Installationen.

Quantitativ nicht so bedeutsam, jedoch besonders problematisch sind jene Kameras die unter dem Titel Tourismuswerbung, Lifestyle und Marketing in Orten, Cafe's und Geschäftslokalen angebracht werden und die Bilder im Internet veröffentlichen. Rund 500 derartige Installationen sind grundsätzlich geeignet Personen erkennbar darzustellen.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: 'Auf meine Initiative hin konnte dieses Thema erstmals auf die Tagesordnung des Datenschutzrates gebracht werden. Als Beratungsorgan der Regierung hat der Datenschutzrat die Verpflichtung eine klare und zukunftsweisende Aussage über den Ensatz der Videoüberwachung zu machen.'

Der vollständige Vorschlag zur Regelung von Videoüberwachung findet sich unter:
http://ftp.freenet.at/beh/HANDSR06.pdf


Weitreichende Regelungslücken

Abgesehen vom polizeilichen Video-Einsatz, der relativ genau und für die polizeilichen Tätigkeiten (Verkehrsregulierung, Sicherheitsaufgaben) weitaus ausreichend geregelt ist, finden sich nur für den Arbeitsbereich indirekte Regelungen. Dort ist Videoüberwachung verboten, sobald sie die Menschenwürde verletzt, Zustimmungspflichtig, wenn sie die Menschenwürde berührt.

Weiters ist die Veröffentlichung von erkennbaren Personen geregelt, einerseits im Medienrecht, andererseits im Urheberrecht ("Recht auf das eigene Bild").

Jeder andere Videoeinsatz ist in Österreich völlig ungeregelt und dem Gutdünken des Anwenders überlassen. Selbst Videoinstallationen von Privatpersonen auf öffentlichen Plätzen oder in fremden Lokalitäten oder Wohnungen sind nicht verboten. Hier könnten höchstens Hilfskonstruktionen, wie "Besitzstörung", "Sachbeschädigung", "Eingriffe in das Privatleben" herangezogen werden. Die daraus abgeleiteten rechtlichen Ersatz- und Unterlassungsansprüche müßten jedoch in jedem Einzelfall vor dem Zivilgericht vorgebracht und geprüft werden. Bei hohen Kosten, langer Verfahrensdauer und letztlich hohem Prozessrisiko.


Grundlegende Probleme von Videoüberwachung

Im Gegensatz zu klassischer Datenermittlung mittels Erhebungen und Formularen gestaltet sich die Videodatenerfassung völlig anders. Neben der Erfassung jener Personen, die der eigentliche Zweck einer Videoinstallation sind, meist Straftäter oder Personen mit sozial unerwünschtem Verhalten, ist die überwiegende Zahl der erfaßten Menschen völlig unbeteiligt und steht im keinen Zusammenhang mit dem angestrebten Zweck der Installation. Für diese Personen, dem Schutz ihrer Privatsphäre und der Sicherung ihrer Rechte müssen zusätzliche Sicherheitsmassnahmen gesetzt werden.

Darüber hinaus existieren eine Reihe von Videoanwendungen, die keinen personenorientierten Charakter haben, wie etwa die Verkehrsüberwachung. In diesem Fällen ist es notwendig, sicher zu stellen, dass die Anlagen nicht für die Personenüberwachung eingesetzt werden können.

Videoinstallationen produzieren Datenschatten von unbeteiligten Dritten, vergleichbar den Gesprächsaufzeichnungen von unbeteiligten Dritten, die bei der Telefonüberwachung anfallen. Während jedoch die Telefonüberwachung streng reglementiert ist und genaue Vorgaben zur Nutzung dieser nebenbei anfallenden Informationen existieren, fehlen diese Regelungen bei Videoinstallationen völlig.

Hans G. Zeger: 'Man kann über die Notwendigkeit und Effizienz der Telefonüberwachung und dem Schutz der Privatsphäre geteilter Meinung sein, Tatsache ist jedoch, dass selbst schwache Regelungen dem völligen Video-Wildwuchs vorzuziehen.'


United Aliens erhob Kameradichte in der Wiener Innenstadt

Die Künstlergruppe United Aliens erstellte eine Überwachungskarte der Wiener Innenstadt. 200 Kameras die den öffentlichen Raum überwachen (ohne U-Bahn-Anlagen) wurden festgestellt. Damit kommt die Wiener Innenstadt mit einer Kamera je 100 Einwohner den britischen Verhältnissen sehr nahe. Hier liegt die Kameradichte in den Ballungszentren bei einer Kamera je 50 Einwohner.

Die Karte zur Überwachung findet sich unter:
http://www.unitedaliens.at/viecm/start.html

Hans G. Zeger: 'Die britischen Verhältnisse sind eher Ausdruck einer ideologisch begründeten Überwachungswut, als das sie sinnvolle Manahmen zur Verbrechensbekämpfung darstellen.'

Das britische Innenministerium analysierte 24 Videoinstallationen und konnte in 13 Fällen ein Senken der Kriminalitätsrate feststellen, in vier Fällen stieg die Kriminalitätsrate und in 7 Fällen hatten die Videoinstallationen keine Auswirkungen. Je nach Berechnungsmethode wurde ein Kriminalitätsrückgang von 5-20% festgestellt.

Eine Analyse der 'National Association for the Care and Resettlement of Offenders' (NACRO) zeigte, dass der Erfolg von Videoüberwachung wesentlich von der Bekanntheit der Videoinstallation und der 'Werbung' für sie abhängt. So waren die Rückgänge an Vergehen in der Installationsphase, als die Anlagen noch gar nicht in Betrieb waren, am größten.

Hans G. Zeger: 'Wenn Videoüberwachung nicht nur ein ideologisches Glaubensbekenntnis sein soll, muß die Frage nach der Effizienz der eingesetzten Mittel gestellt werden. In vielen Fällen würden bessere Ausleuchtung von Straßen und Parkplätzen, passive Zugangssicherung und persönliche Präsenz von Sicherheitskräften bessere Ergebnisse erzielen.'


Regelung zur Videoüberwachung überfällig!

Der Kernbereich einer Regelung muß für alle Betroffenen Klarheit schaffen, wer im öffentlichen Raum Videokameras installieren darf, wie die erhobenen Informationen zu verwenden sind, wie die Informationspflichten gegenüber den Betroffenen zu erfüllen sind, wie die erhobenen Informationen zu verwenden sind und in welcher Form Aufsichtspflichten wahrzunehmen sind.

Hans G. Zeger: 'Zusätzlich wird man bei einer Regelung der Videoüberwachung auch eine Abgrenzung zu biometrischen Methoden machen müssen. Dieses neue Feld des Eingriffs in die Privatsphäre ist noch nicht weit verbreitet. Es existieren jedoch verstärkte Bemühungen biometrische Spuren, etwa Fingerabdrücke, die im öffentlichen Raum hinterlassen werden als 'vogelfrei' zu erklären und für die beliebige Auswertung frei zu geben'.

Es kann nicht Ziel einer demokratischen Gesellschaft sein, den sensible Bereich der Privatsphäre ungeregelt zu lassen, Eingriffe jeder Form grundsätzlich zuzulassen und dann es dem Einzelnen zu überlassen durch mühsame, teure und langjährige Rechtsverfahren bestätigt zu erhalten, dass eine Videoinstallation unrechtmäßig war.


Datenschutzrat bisher nicht orientiert

Der Antrag, der Bundesregierung eine Regelung der Videoüberwachung zu empfehlen, dürfte den Datenschutzrat am 'falschen Fuß' erwischt haben. Die meisten Mitglieder zeigten sich in der Problematik uninformiert und nicht imstande das Thema inhaltlich zu diskutieren. Eine eilig eingerichtete 'Arbeitsgruppe' soll die dazugehörige Literatur studieren und Fakten zum Thema Videoüberwachung sammeln.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: 'Das Vorgehen wirkt einigermassen grotesk. Videoinstallationen sind mittlerweile Bestandteil des Alltagslebens geworden, ebenso die dazugehörige öffentliche Diskussion über mögliche Eingriffe in die Privatsphäre. Sogar im Entwurf zum Privatsphäregesetz von Justizminister Böhmdorfer wird das Problem der Videoüberwachung angesprochen.'

Jedes Mitglied des Datenschutzrates hätte seit Monaten die Möglichkeit gehabt, sich qualifiziert darüber zu informieren und eine Position zu erarbeiten.

Hans G. Zeger: 'Die auf meine Initiative eingebrachten Vorschläge zur Regulierung sind im Wesentlichen aus vergleichbaren Regelungen in Deutschland, aus wissenschaftlichen Publikationen und den Erfahrungen mit Anfragen die an die ARGE DATEN zum Thema Videoinstallationen herangetragen wurden, abgeleitet. Unabhängig von Wahlen und Koalitionen wird eine geeignete Regelung von Videoüberwachung Maßstab für die Einstellung des Gesetzgebers zum Schutz der Privatsphäre sein.'

Ob der Datenschutzrat einen konstuktiven Beitrag leisten wird oder bloß in 'Arbeitsgruppen' Nachhilfeunterricht in Sachen Schutz der Privatsphäre nehmen wird, werden die nächsten Wochen zeigen.

Hans G. Zeger: 'Leider sind die Vorzeichen einer aktiven Rolle des Datenschutzrates denkbar ungünstig. Schon der Beschluß zur Einrichtung der 'Videoarbeitsgruppe' wurde geschäftsordnungswidrig verspätet gefasst. Entweder ist der Vorsitzende des Datenschutzrates, der FPÖ-Mann HALLER völlig überfordert oder er hat Probleme im Vollzug gesetzlicher Bestimmungen. Beides keine Empfehlungen für das angestrebte Amt als Richter im Verfassungsgerichtshof.'


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