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2016/04/01 Cybermobbing als Straftatbestand
Philipp Hochstöger
Cybermobbing nur teilweise strafrechtlich erfasst - erweiterte Bestimmung trat mit 1.1.2016 in Kraft - Strafbarkeit bei Ehrverletzung mit gewisser Reichweite und Beeinträchtigung der Lebensführung des Betroffenen

Cybermobbing stellt für Betroffene eine extreme Belastung dar. Werden beispielweise Aufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich ins Internet gestellt, sind sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Ins Internet hochgeladene Fotos oder beleidigende Handlungen sind darüber hinaus meist über längere Zeit aufrufbar, sodass die bloßstellende Wirkung besonders lange andauern kann.

Das Phänomen „Cybermobbing“ war bis dato nur teilweise strafrechtlich erfasst, in Betracht kamen vor allem Ehrenbeleidigungsdelikte, Nötigung oder die pornographische Darstellung Minderjähriger. Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 soll sich das ändern: Cybermobbing als Straftatbestand wird unter dem Titel „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ in das Strafgesetzbuch eingeführt und tritt mit 1.1.2016 in Kraft.

Wortlaut der Bestimmung:

StGB § 107c. (1) Wer im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems in einer Weise, die geeignet ist, eine Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt
1. eine Person für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar an der Ehre verletzt
oder
2. Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches einer Person ohne deren Zustimmung eine für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar macht,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Hat die Tat den Selbstmord oder einen Selbstmordversuch der im Sinn des Abs. 1 verletzten Person zu Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.


Im Wege einer Telekommunikation

Wie aus den Erläuterungen zum Ministerialentwurf hervorgeht ist der Begriff „im Wege einer Telekommunikation“ sehr weit. Darunter versteht man den technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten aller Art in Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen. Insbesondere fallen E-Mails, SMS und Anrufe darunter. Ebenso ist Tatbestandsverwirklichung des § 107c StGB „unter Verwendung eines Computersystems“ möglich.


Unzumutbare Beeinflussung der Lebensführung

Die Tathandlungen müssen geeignet sein, die betroffene Person in Ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinflussen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt es darauf an, ob das Verhalten derart unerträglich ist, dass auch ein Durchschnittsmensch in dieser Situation auf Grund der Handlungen möglicherweise seine Lebensgestaltung geändert hätte. Das tatsächlich die Lebensführung beeinträchtigt wurde ist nicht erforderlich. Bei der Bekanntgabe oder Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches kann eine solche Eignung jedoch nur dann angenommen werden, wenn eine solche objektiv geeignet ist, das Opfer bloßzustellen.


Über längere Zeit hindurch fortgesetzt

Was unter dem Begriff „längere Zeit hindurch fortgesetzt“ zu verstehen ist, kann nicht mit einer Definition beantwortet werden, sondern hat sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. In manchen Fällen genügt es, wenn jemand einmal eine Belästigung im Sinne § 107c StGB begeht. Werden beispielsweise Nacktfotos einer Person ohne dessen Zustimmung ins Internet hochgeladen und die Fotos über längere Zeit nicht gelöscht, wird eine Strafbarkeit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gegeben sein. Andererseits wird man bei Belästigungen durch E-Mails, SMS oder Telefonanrufe erst bei wiederholten Tathandlungen von „über längere Zeit fortgesetzt sprechen können. Der Gesetzgeber sieht derartige Eingriffe als weniger massiv an. Das Opfer wird sich den Belästigungen durch SMS oder dergleichen leichter entziehen können.


Reichweite der Ehrverletzung

Die drei genannten Tatbestandsmerkmale müssen kumulativ vorliegen. Zusätzlich muss die Person „für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar an der Ehre verletzt“ oder „Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches einer Person ohne deren Zustimmung für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar“ gemacht worden sein.

Unter Verletzung der Ehre versteht der Gesetzgeber jede Verminderung des Ansehens und der Achtung einer Person in ihrem sozialen Umfeld. Es kommt wiederum darauf an, dass die Verletzung der Ehre objektiv nachvollziehbar ist.


Höchstpersönlicher Lebensbereich

Nach dem Willen des Gesetzgebers  deckt sich der Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereiches“ mit dem des Privat- und Familienlebens in Art. 8 MRK. Dazu zählen ua. das Sexualleben, der sensible Bereich des Familienlebens, Krankheiten, Behinderungen und religiöse Ansichten. Es muss zusätzlich geprüft werden, ob die Drohung geeignet ist beim Betroffenen begründete Besorgnis auszulösen. Laut den Erläuterungen umfassen Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs neben Aufnahmen des Opfers auch dessen Wohnräume.


Fazit - Viele offene Fragen

Wie oft der neu eingeführte § 107c StGb zur Anwendung kommt, wird sich zeigen und insbesondere davon abhängen, wann Gerichte Belästigungen als geeignet ansehen, eine Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen.

Ist das bereits der Fall wenn ein Arbeitnehmer aus einer WhatsApp-Gruppe ausgeschlossen wird, in der sich alle Arbeitskollegen befinden? Wenn jemand aus dem Computerspiel-Team ausgeschlossen wird? Derartige Sachverhalte unter Strafe zu stellen war voraussichtlich nicht im Sinn des Gesetzgebers. Der Zweck des § 107c StGb wird nicht in der Regelung alltäglicher gesellschaftlicher Konflikte liegen, vielmehr sollten massive Persönlichkeitsverletzungen mit schwerwiegenden Folgen für Betroffene unter Strafe gestellt werden.

So könnte zum Beispiel das Hochladen eines Nacktfotos in die WhatsApp-Gruppe mit 15 Personen bei Vorliegen aller Voraussetzungen nach § 107c strafbar sein. Ein beleidigender Kommentar auf Facebook wird meist noch keine Strafbarkeit begründen, wiederholte Beschimpfungen könnten sehr wohl strafbar sein. Allgemeine Fallgruppen aufzuzählen ist aber weniger sinnvoll, eine Einschätzung hat in jedem Einzelfall zu erfolgen.


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