2013/02/18 Österreich rüstet zum Cyberwar
Militär wollte Vorratsdaten und erweiterte Videoüberwachung - geplante Gesetzesänderung sorgte für Empörung - Minister rudert nach Stellungnahme der ARGE DATEN zurück - Entwurf unvereinbar mit Grundrechten und bestehenden Gesetzen
Der vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) eingebrachte Gesetzesentwurf zur Änderung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00469/index.shtml) sorgte für große Empörung. Gut versteckt, sollte zukünftig das Militär Zugriff auf Vorratsdaten haben und praktisch nach Belieben Videoüberwachung installieren können.
Zur nachrichtendienstlichen Aufklärung bzw. Abwehr, welche der Informationsbeschaffung über militärische Vorhaben des Auslands dient (§ 20 Militärbefugnisgesetz - MBG), war geplant zukünftig auch Vorratsdaten auswerten zu dürfen.
Im Detail sollten militärische Organe von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern, neben Auskünften über die Identität eines Telefonanschlussinhabers, ebenfalls Informationen über den Inhaber einer IP-Adresse einholen können. Sofern notwendig, sollte dabei auch die Verwendung von Vorratsdaten zulässig sein.
Freibrief fürs Militär
Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens hat sich die ARGE DATEN kritisch zur geplanten Gesetzesänderung geäußert und neben grundrechtlichen Bedenken auch auf gesetzliche Widersprüche hingewiesen.
Die Fälle, in denen Sicherheitsbehörden Vorratsdaten verwenden dürfen, sind abschließend geregelt - nachzulesen im Artikel „Wann dürfen Vorratsdaten verwendet werden?“ (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...). Das Militär hingegen, wollte ganz allgemein, zur Erfüllung von nachrichtendienstlichen Aufgaben, Auskünfte aus Vorratsdaten erhalten. Ein Freibrief zur schrankenlosen Verwendung von Vorratsdaten.
Unklare Rechtslage - keine Protokolierung der Verwendung
Vorratsdaten werden im Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) besonders geschützt und dürfen im Normalfall ausschließlich aufgrund einer gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung und Verfolgung von schweren Straftaten verwendet werden. Gleichzeitig muss jede Verwendung von Vorratsdaten protokolliert werden. Mehr dazu in dem Artikel "Vorratsdaten - So soll der Zugriff stattfinden!" (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...).
Die Bestimmungen über die Protokollierung betreffen jedoch logischer Weise nur jene im TKG 2003 abschließend vorgesehenen Fälle, in denen Vorratsdaten verwendet werden dürfen. Die Übermittlung von Informationen aus Vorratsdaten an das Militär wäre somit ohne jede Protokollierung - ohne jede Transparenz erfolgt.
Internetprovider wären durch die geplante Gesetzesänderung jedenfalls in Bedrängnis gebracht worden, an welche der widersprüchlichen gesetzlichen Bestimmungen sie sich halten sollen. An die geplante Auskunftspflicht aus dem MBG oder an das Verbot des TKG 2003, Vorratsdaten für andere, als die genannten Zwecke zu verwenden.
Ausufernde Videoüberwachung
Ebenfalls vorgesehen war die praktisch beliebige Verwendung von Videoüberwachung im gesamten Militärbereich. Selbst für Verwaltungsdelikte, wie verspätetes Einrücken in die Kaserne, hätte Videoüberwachung installiert werden dürfen.
Minister macht Rückzieher
Auf Vorschlag von Hans G. Zeger, Obmann der ARGE DATEN und Mitglied des Datenschutzrates, wurde der Entwurf umgehend auf die Tagesordnung des Datenschutzrates gesetzt. Dieser konnte jedoch einige Tage später nur mehr wohlwollend zur Kennntis nehmen, dass die kritisierten Passagen auf Grund der Stellungnahme der ARGE DATEN auf Weisung von Minister Darabos gestrichen wurden.
Fazit: Gesammelte Daten wecken Begehrlichkeiten
Wie die geplante Gesetzesänderung überdeutlich zeigt, wecken vorhandene Daten immer weitergehende Begehrlichkeiten. Das BMLVS scheiterte diesmal, es wird es wieder versuchen, die Verwertungsindustrie ebenfalls. Die einzige Möglichkeit diese Begehrlichkeiten zu verhindern ist, Daten nicht zu sammeln.
Ob die verdachtslose Speicherung von Kommunikationsdaten überhaupt mit den Grundrechten vereinbar ist, wird in nächster Zeit der Europäische Gerichtshof entscheiden. Dieser wurde von Österreich gleich mit zwei Vorabentscheidungsverfahren betraut (http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDA...).
andere --> Zusammenstellung - alle Informationen zur Vorratsdatenspeicherung
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