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Ist die Mikrozensuserhebung der Statistik Austria rechtmäßig?
Die Mikrozensuserhebungen führen immer wieder zu Verärgerung der Bevölkerung - die ARGE DATEN hat erstmals als unabhängige Stelle die Grundlagen der Befragung zusammen gestellt - Alternativen zur Zwangsbefragung, die wesentlich besser die Privatsphäre respektieren sind möglich - Erhebungsorgane als Hobbypsychologen

Mikrozensuserhebung als Stichprobenuntersuchung zur Arbeits- und Wohnsituation

Seit 1967 werden in Österreich unter der Bezeichnung „Mikrozensus“ jährlich viermal Stichprobenerhebungen durchgeführt. Dabei werden etwa 22.500 zufällig ausgewählte Haushalte hauptsächlich zu ihrer Arbeits- und Wohnsituation befragt.

Die Haushalte der Stichprobe werden dabei nicht jedes Vierteljahr komplett ausgetauscht, sondern jeder Haushalt bleibt für insgesamt fünf Quartale in der Stichprobe. D.h.; bei jeder Befragungsrunde scheidet ein Teil der Haushalte aus (jene, die bereits fünf Mal befragt wurden) und rund 4.500 „neue" Haushalte kommen in die Stichprobe. Rechtliche Basis der Mikrozensuserhebungen ist die Erwerbs- und Wohnungsstatistikverordnung 2010 (EWStV 2010), welche auf der EU-Verordnung zur Durchführung einer Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte (Verordnung (EG) Nr. 577/98) beruht. Gleichzeitig werden jährlich wechselnde Schwerpunktbefragungen, im Rahmen des sogenannten Ad hoc-Moduls durchgeführt. Im Jahr 2012 handelt es sich dabei um Fragen zum Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Rechtsgrundlagen dieses Ad hoc-Moduls sind die Ruhestandsstatistikverordnung 2012 sowie die EU-Verordnung 249/2011.

Befragung: Verlangen Sie schriftliche Unterlagen

Laut Eigendarstellung der Statistik Austria kommen derzeit vor allem mündliche Befragungen (Face to face -Befragung) durch Mitarbeiter der Statistik Austria sowie telefonische Befragungen zum Einsatz.

Grundsätzlich legt die Erwerbs- und Wohnungsstatistikverordnung 2010  allerdings eine Befragung sowohl in schriftlicher als auch in telefonischer oder persönlicher Weise fest. Die Auswahl der Erhebungsmethoden hat die Statistik Austria nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu treffen. Sollte also jemand die von der Statistik Austria gestellten Fragen nicht mündlich (persönlich oder über das Telefon) beantworten können oder wollen, ist anzuraten auf die Übersendung oder Ausfolgung des Fragenkatalogs zu bestehen, um der Beantwortung schriftlich nachkommen zu können – dies wird in diesem Fall das einzig Zweckmäßige sein.

Betroffene sollten sich dabei von Strafdrohungen seitens der Statistik Austria nicht abschrecken lassen. Solange die Bereitschaft zur schriftlichen Beantwortung der Fragen besteht, kann dies von der Bezirksverwaltungsbehörde, die im Fall einer Anzeige durch die Statistik Austria über eine Strafe entscheiden muss, nicht als Verletzung der Mitwirkungspflicht beurteilt werden.

Zulässige Fragen durch EU-Verordnung begrenzt

Welche Daten erhoben werden dürfen ergibt sich hauptsächlich aus den entsprechenden EU-Verordnungen. Darüberhinaus enthält die EWStV 2010 einige weitere Merkmale, die erhoben werden dürfen. Erhebungsmerkmale sind beispielsweise:


1) Merkmale zur Person: z.B. Geschlecht, Geburtsdatum, Familienstand, Staatsangehörigkeit

2) Merkmale zur Erwerbssituation: z.B. Erwerbsstatus, Stellung im Beruf, weitere Erwerbstätigkeiten. Bei Arbeitssuchenden werden ebenfalls Daten erhoben wie beispielsweise: Art der gesuchten Tätigkeit, Dauer der Arbeitsuche oder Situation unmittelbar vor Beginn der Arbeitsuche

3) Merkmale zur Ausbildung: z.B. höchste abgeschlossene Ausbildung, Weiterbildungszweck, berufliche Qualifikationen

4) Merkmale zur Wohnsituation: z.B. Größe und Ausstattung der Wohnungen, Rechtsverhältnis an der Wohnung, die Wohnungsaufwände, das Jahr des Mietvertragsabschlusses und ob der Mietvertrag befristet ist.


Darüberhinaus werden fallweise auch Zusatzfragen gestellt, für deren Beantwortung aber keine Teilnahmepflicht herrscht - ein Umstand auf den die Statistik Austria hinzuweisen hat.

Leider sind die Verordnungen äußerst unklar formuliert, sodass nicht eindeutig erkannt werden kann, welche Fragen noch durch die Verordnung gedeckt sind und welche der bloßen Neugier der Statistiker entspringen.

Aus diesem Grund hat die ARGE DATEN sämtliche Rechtsgrundlagen analysiert und am Beispiel des Mikrozensusfragebogens für das 4. Quartal 2012 sowie des jährlich wechselnden, sogenannten Ad hoc-Moduls, Fragen deren Beantwortungspflicht sich eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt farblich gekennzeichnet (http://ftp.freenet.at/pla/mz-2012-hilfe.pdf). Der markierte Musterfragebogen erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sodass nicht auszuschließen ist, dass im Einzelfall weitere Fragen beantwortet werden müssen. Im Zweifel sollten Betroffene von der Statistik Austria die Nennung der genauen Rechtsgrundlage für eine Frage verlangen – weshalb der Befragung nur schriftlich nachgekommen werden sollte.

Jedenfalls keine Deckung findet etwa die Frage nach der Zahl der PKWs im Haushalt. Auch eine Reihe von Fragen zum Arbeitsverhältnis finden sich weder in der österreichischen Verordnung, noch in der EU-Verordnung.

Herrscht Teilnahmepflicht?

Nach den §§ 8 und 9 der EWStV 2010 herrscht grundsätzlich Mitwirkungs- und Auskunftspflicht auf Seite der für die Stichprobe ausgewählten Bürgerinnen und Bürger.

Die Verpflichtung zur Teilnahme bezieht sich allerdings nur auf Fragen aus den Bereichen Arbeitsplatz und Wohnung. Keinesfalls müssen Fragen zur Gesundheit, über Konsumgewohnheiten, über Reisegewohnheiten, Hobbys, politischer Meinung, Religion oder sexuelle Neigungen beantwortet werden.

Die Verpflichtung, an der Erhebung teilzunehmen, beinhaltet auch nicht, dass ein entsprechendes Mitglied des Interviewerstabs in die Wohnung gelassen werden muss, damit dort die Befragung durchgeführt werden kann. Es wird vom Einlass der Erheber dringend abgeraten, da nicht auszuschließen ist, dass sich auch Betrüger mit gefälschten Ausweisen auf diese Art Zutritt zur Wohnung verschaffen.

Das Hausrecht ist verfassungsgesetzlich durch das Staatsgrundgesetz geschützt, eine Betretungsbefugnis zur Durchführung der Mikrozensuserhebung erhält die Erwerbs- und Wohnungsstatistikverordnung 2010 natürlich nicht.

Demgemäß ist niemand, der für die Stichprobe ausgewählt wurde, dazu verpflichtet, die Mitarbeiter der Statistik Austria zur Durchführung in seine Privaträume einzulassen. Sollten Mitarbeiter der Statistik Austria ihre Befragungen in privaten Räumlichkeiten des Betroffen durchführen wollen, ist jedenfalls anzuraten, die Mitarbeiter nicht in den Privathaushalt einzulassen und auf einer schriftlichen Übersendung des Erhebungsmaterials zu bestehen.

Informationspflicht der Statistik Austria

Gem. § 11 EWStV 2010 hat die Statistik Austria die Auskunftspflichtigen vor der erstmaligen Befragung mittels Broschüre über den Erhebungszweck und die getroffenen Datenschutzmaßnahmen zu informieren.

Jedenfalls ist anzuraten, wenn der Erhebungszweck nicht klar ist, auch in Bezug auf einzelne Fragen bei der Statistik Austria nachzuforschen, wozu die Information benötigt wird.

Müssen sämtliche Fragen beantwortet werden?

Grundsätzlich sieht die Erwerbs- und Wohnungsstatistikverordnung 2010 Mitwirkungs- und Auskunftspflicht auf Seite der BürgerInnen vor. Dies gilt allerdings nur für die in der Verordnung genannten Themenbereiche. Weiters müssen ausschließlich Fragen beantwortet werden, die nicht durch die Beschaffung von Verwaltungsdaten beantwortet werden können. Beantwortet werden müssen daher hauptsächlich Fragen zum Themenbereich Wohnen.

Sollten darüber hinaus Fragen gestellt werden, die keines der genannten Themen betreffen, ist die Mitarbeit freiwillig, da für eine verpflichtende Teilnahme keine Rechtsgrundlage besteht.
Gem. § 9 Abs 3 EWStV 2010 ist die Statistik Austria verpflichtet auf diesen Umstand hinzuweisen.

Im Zweifel empfiehlt es sich nach der genauen Rechtsgrundlage für die Beantwortung zu fragen.

Sollten Fragen auftauchen, die keines der genannten Gebiete betreffen, ist anzuraten, gegenüber der Statistik Austria darauf zu bestehen, dass die entsprechende Rechtsgrundlage für eine verpflichtende Beantwortung genannt wird.

Was ist zu tun, wenn eine Frage nicht beantwortet werden kann?

Die Fragen sind vollständig und nach bestem Wissen zu beantworten. Falls eine Frage nicht beantwortet werden kann, kann man dies ruhig sagen. Eine Verpflichtung zu umfangreichen Recherchen auf Seite des Auskunftspflichtigen ist nicht vorgesehen.

Müssen die Fragen auch in Bezug auf andere Haushaltsmitglieder beantwortet werden?

Nein, die Erwerbs- und Wohnungsstatistikverordnung 2010 sieht in § 8 nur vor, dass alle volljährigen Angehörigen der Haushalte, die ausgewählt wurden, zur Auskunftserteilung verpflichtet sind. Bei minderjährigen Personen sowie Personen, die aufgrund eines körperlichen oder geistigen Gebrechens nicht befragbar sind, obliegt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung dem gesetzlichen Vertreter.

Ein Auskunftspflichtiger kann aufgrund der Bestimmungen der Erwerbs- und Wohnungsstatistikverordnung 2010 ein anderes Haushaltsmitglied mit der Auskunftserteilung betrauen, muss dies aber nicht tun.

Da die Fragen zum Teil auch die persönlichen Verhältnisse der Befragten betreffen, scheint eine Beantwortung durch eine andere Person als den Betroffenen sinnlos und aus dem Blickwinkel der Statistik Austria nutzlos.

Sollte im Rahmen einer Befragung darauf bestanden werden, dass der Interviewpartner auch für andere Haushaltsmitglieder Auskunft erteilen soll, kann darauf verwiesen werden, dass dazu keine Verpflichtung und ohne Einverständnis des Betroffenen nicht einmal eine Berechtigung besteht. Auch in diesem Fall ist anzuraten, auf einer schriftlichen Übersendung des Fragenkatalogs an den Betroffenen zu bestehen.

Was kann passieren, wenn man die Teilnehme gänzlich verweigert?

Wer seine Mitwirkungs- und Auskunftspflicht verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Bundesstatistikgesetz mit einer Geldstrafe von bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist. Tatsächlich kommt die Verhängung von Verwaltungsstrafen in diesem Zusammenhang aber selten vor und beginnt zuerst bei Verwarnungen oder Strafen in der Höhe von 20-40 Euro. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass die Statistik Austria Personen, die "Schwierigkeiten" machen aus der Interviewliste streicht, da auch die so gewonnenen Daten meist recht lückenhaft und schlecht sind.

Erhebungsorgane als Hobbypsychologen

Problematisch ist auch wer als Erhebungsorgan fungiert. Hier greift die Statistik Austria gern auf örtliche Gemeindebedienstete zurück. Was nach sinnvoller Verwaltungsvereinfachung ausschaut, bringt jedoch zusätzliche Datenschutzprobleme. Auf diesen Weg erhalten die Bediensteten Einblick in höchstpersönliche Lebensverhältnisse jener Bürger, bei denen sie vielleicht wenige Tage später eine objektive Amtshandlung durchführen müssen. Die Bediensteten sind zwar zur Verschwiegenheit verpflichtet, einmal erhobene Informationen lassen sich aber nicht mehr entfernen.

Weiters werden die befragten Personen von den Zählorganen beurteilt. So soll angekreuzt werden, wenn "Zweifel an der Seriosität" der Auskunftsperson bestehen und auch die Kooperationsbereitschaft wird in einer Skala von sehr bis nicht zufriedenstellend bewertet.

Alternativen zur Zwangsbefragung sind möglich

Die Statistik Austria rechtfertigt die Zwangsbefragung mit angeblichen Vorgaben der EU. Tatsächlich stellt es die EU jedoch den Mitgliedsstaaten frei, wie sie die Daten zur Erwerbs- und Wohnungsstatistik erhebt. Aus statistisch-technischer Sicht würde eine Stichprobenerhebung, die auf freiwilliger Basis erfolgt zumindest ebenso gute Ergebnisse liefern, wie die Zwangsbefragung. Die Zwangsbefragung ist offenbar ein Relikt der demokratiefeindlichen Tradition, von der sich Österreichs Politiker nicht trennen können (und wollen).

Durch die immer umfangreicher werdenden staatlichen Register wird die Mikrozensuserhebung zukünftig ohnehin an Bedeutung verlieren. Schon jetzt soll die Statistik Austria die überwiegende Mehrzahl der Erhebungsmerkmale aus staatlichen Registern, wie beispielsweise dem Melderegister, dem Bildungsstandregister, dem Gebäude- und Wohnungsregister oder aus Daten der Sozialversicherungen, des Finanzministeriums oder des Arbeitsmarktservices ermitteln. Lediglich für den Fall, dass noch keine Verwaltungsdaten zu einer Person vorhanden sind, sollen diese durch Befragung erhoben werden.

mehr --> Dokumente und Informationen zur Volks- und Registerzählung
mehr --> Verordnung (EG) Nr. 577/98 - Durchführung einer Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte in der Gemeinschaft
mehr --> Verordnung (EU) Nr. 249/2011 - Spezifikationen des Ad-hoc-Moduls 2012 Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand
andere --> Verordnung (EG) Nr. 377/2008 - Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 577/98

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