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2008/01/25 Nur bei "Identifizierungsabsicht" Grundrecht auf Datenschutz?
DSK-Entscheidung zur Bild- und Videoaufnahmen zeigt geradezu skurille Züge - statt die Zulässigkeit der tatsächlich gemachten Aufzeichnungen zu prüfen, werden Absicht und (Wunsch-)Vorstellung des Datenverarbeiters bewertet - eine offensichtlich EU-widrige Entscheidung - DSK-Enscheidungen fallen mehr und mehr nach dem Zufallsprinzip

Die Diskussion um Videoüberwachungen im öffentlichen Raum ist ein datenschutzpolitischer Dauerbrenner. Dabei geht es meist um die „Verhältnismäßigkeit“ der Üebrwachungsmaßnahmen, um das „überwiegende Interesse“ des Auftraggebers sowie um die Frage, ob mit der Bildaufzeichnung der geringst mögliche Eingriff gesetzt wird.

Nicht bestritten wird in der Regel, dass derartige Sachverhalte dem Datenschutzgesetz unterliegen. In diesem Sinne wirkt eine DSK-Entscheidung (K121.036/0014-DSK/2005) wie ein absoluter rechtlicher Fehlgriff: Einer gezielten Überwachung von Hubschrauberflügen mittels Fotoaufnahmen, bei welchen der jeweilige Pilot und auch das Hubschrauberkennzeichen identifizierbar war, wurde die datenschutzrechtliche Relevanz abgesprochen. Eigentümliche Begründung der DSK: Der Erfasser hatte keine „Identifizierungsabsicht“, somit handelt es sich bei den auf den Fotos erkennbaren Personen um keine personenbezogene Daten. Das die Fotos selbstverständlich als Beweismittel für rechtswidrige Flugbewegungen gedacht war und auch die Möglichkeit bestand im Einzelfall den Piloten zu einer Stellungnahme aufzufordern, wurde von der DSK negiert.


Lärmbelästigung durch Hubschrauber

Der Beschwerdeführer war als Berufspilot für ein Hubschrauberflugunternehmen tätig, wobei die von ihm durchgeführten Flüge immer wieder Starts und Landungen auf einem bestimmten Landeplatz in Vorarlberg erforderlich machten.

Eine Nachbarin dieses Landeplatzes und Mitglied einer Bürgerinitiative, die eine Reduzierung der Flugbewegungen auf dem Landeplatz sowie ein Einschreiten der Behörden gegen unrechtmäßige Flugbewegungen erreichen wollte, filmte über mehrere Jahre von ihrer benachbarten Liegenschaft aus mit Hilfe einer mit der Hand geführten Videokamera regelmäßig die Flugbewegungen auf dem Landeplatz.

Die Kassetten wurden anschließend unter Angabe von Kalenderdatum, Uhrzeit, Kennzeichen des gefilmten Fluggeräts und Angaben zum aufgezeichneten Geschehen dem Amt der Vorarlberger Landesregierung oder der Bezirkshauptmannschaft zwecks Auswertung und Einleitung möglicher Behördenverfahren, insbesondere  Verwaltungsstrafverfahren übermittelt. Die Dokumentation der Flugbewegungen - ohne ausdrückliche Aufforderung zur Durchführung von Videoaufzeichnungen - erfolgte dabei auf Aufforderung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung.

Der Beschwerdeführer richtete per Post ein datenschutzrechtliches Auskunftsbegehren an diese Nachbarin und nahm dabei darauf Bezug, dass diese Videoaufzeichnungen und schriftliche Aufzeichnungen - Zeiten - über die Starts und Landungen der Hubschrauber anfertige, auf denen Betroffene einwandfrei erkennbar seien. Der Beschwerdeführer sei selber oftmals als Pilot dieser Hubschrauber Betroffener gewesen. Er verlangte daher unter Bezugnahme auf § 1 Abs 3 DSG 2000 Auskunft über die zu seiner Person verarbeiteten Daten.

Da die Adressatin des Auskunftsbegehrens nicht reagierte, wandte sich der Betroffene an die Datenschutzkommission.


Entscheidung der DSK

Die DSK wies die entsprechende Beschwerde unter Heranziehung zweier - überaus fragwürdiger - Begründungselemente ab:

Eine Verwendung von „personenbezogenen Daten“ im Sinne des § 4 Z 1 DSG 2000 liege bei Bildaufzeichnungen nur dann vor, wenn sie in der Absicht geschehe, die darauf vorhandenen Personen zu identifizieren, wobei es genüge, wenn diese Absicht nur für bestimmte Fälle und nicht durchgängig bestehe. Bildaufnahmen für private z.B. touristische Zwecke etwa Bildaufnahmen für Zwecke von Verkehrsstromanalysen, also für statistische Zwecke, oder auch künstlerische oder kommerzielle Film- und Fotoherstellung ohne Absicht der Identifikation allenfalls abgelichteter Personen seien vom Begriff der Ermittlung personenbezogener Daten ausgeschlossen.

Fehle - wie hier von der DSK behauptet - das Kriterium der Identifizierungsabsicht nach dem Zweck der Herstellung von Film- oder Photoaufnahmen, sei der Vorgang daher nicht datenschutzrelevant.

Weiters müsse, damit Film- oder Photoaufnahmen Gegenstand des Auskunftsrechts sein könnten, die Bildaufzeichnung in Form einer „Datei“ im Sinne des § 4 Z 6 DSG 2000 stattfinden.

Da hier eine einzelne, mobile und von Hand geführte Videokamera mit analoger Magnetaufzeichnung auf Videokassetten in Verbindung mit manuellen schriftlichen Aufzeichnungen über Zeit, Ort und Geschehen zum Einsatz gekommen sei, sei das Kriterium der Strukturiertheit nach einem oder mehreren personenbezogenen Merkmalen, wie sie für „manuelle Dateien“ Voraussetzung ist, nicht gegeben.


Identifizierungsabsicht?

Mit dem Kriterium der „Identifizierungsabsicht“ bedient sich die DSK in der besprochenen Entscheidung jedenfalls eines rechtlichen absurdums, welches durch keine Bestimmung - sei es auf nationaler oder europäischer Ebene - gerechtfertigt werden kann und der willkürlichen Interpretation von Datenschutzrechten Tür und Tor öffnet.

Dass Bild - und Tonaufzeichnungen „Daten“ nach DSG 2000 Daten sind, ergibt sich aus der Definition des § 4 Z 1 DSG 2000 und ausdrücklich aus Erwägungsgrund 16 der Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG. In Erwägungsgrund 26 zur Richtlinie heißt es weiter: Die Schutzprinzipien müssen für alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare Person gelten. Bei der Entscheidung, ob eine Person bestimmbar ist, sollten alle Mittel berücksichtigt werden, die vernünftigerweise entweder von dem Verantwortlichen für die Verarbeitung oder von einem Dritten eingesetzt werden könnten, um die betreffende Person zu bestimmen. Die Schutzprinzipien finden nur dann keine Anwendung auf Daten, die derart anonymisiert sind, dass die betroffene Person nicht mehr identifizierbar ist.

Personenbezogene Daten liegen im Übrigen keineswegs erst dann vor, wenn es sich um aufgezeichnete Informationen handelt, die von jedermann unmittelbar einer bestimmten Person zugeordnet werden können, sondern schon dann, wenn die Betroffenen nachträglich bestimmbar sind. Bestimmbarkeit bedeutet, dass ein Datum aufgrund eines oder mehrerer Merkmale letztlich einer bestimmten Person zugeordnet werden kann.

Dies war im vorliegenden Fall eindeutig der Fall. Spätestens mit Hilfe von Uhrzeit und Hubschraubernummer wäre es sowohl dem Hubschrauberinhaber, als auch der Flugaufsichtsbehörde möglich gewesen, festzustellen welche Person auf dem Foto dargestellt ist. Sofern nicht - allein schon aus der gerningen Zahl der Hubschrauberpiloten - die Identifikation durch Augenschein möglich gewesen wäre. Ziel der Datenschutz-Richtlinie war es gerade durch einen weit gefassten Identifikationsbegriff auch jene Fälle zu schützen, in der zwar die ursprüngliche Aufzeichnung noch nicht einer Person zugeordnet werden können, aber dies Dritte durch Zusatzinformationen können. Die Datenschutzkommission ignoiert dieses europarechtliche Vorgabe seit Jahren.


Hüh und Hott bei der Datenschutzkommission

In einer anderen Entscheidung K507.515-023/0002-DVR/2007 vom 27.3.2007 hat die DSK festgehalten, dass der Umstand, dass bei der Videoüberwachung mit Aufzeichnung der Daten die Identifizierung nicht generell, sondern nur in ganz bestimmten Fällen tatsächlich versucht wird, die Eigenschaft als „Verarbeitung mit personenbezogenen Daten“ nicht ausschließen kann: Sofern Personen, auf die sich die Daten beziehen, identifizierbar sind - v.a. auch durch die zusätzlich gespeicherten Informationen „Zeitpunkt“ und „Ort“ sind Daten also „personenbezogen“. Eine zur Hubschrauber-Entscheidung konträre Entscheidung, die sich eher mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbaren lässt.

Nach welchen Kriterien die DSK-Entscheidungen fallen ist immer schwerer nachvollziehbar. Würfeln? Kaffesud-Lesen? Oder gibt doch das Horoskop des geschäftsführenden Mitglieds der DSK den Ausschlag?


EU-Richtlinie kennt nicht die "Identifizierungsabsicht"

Ob die Absicht einer Bild-Datenermittlung zum Ermittlungszeitpunkt darin liegt, darauf abgebildete Personen zu identifizieren, kann für die Sicherung des Datenschutzes keinerlei Rolle spielen. Entscheidend ist nach den europarechtlichen Grundlagen lediglich, ob abgebildete Personen identifiziert werden können, was erst bei einer entsprechenden Anonymisierung ausgeschlossen werden kann. Das macht auch im Zusammenhang mit dem Schutzzweck Sinn: Auch wenn eine Bildaufnahme ursprünglich nicht zu einer personenbezogenen Identifizierung erstellt worden sein mag, lässt sich nicht ausschließen, dass diese später auch einem derartigen Zweck dienen kann. Die Frage der subjektiven Absicht hat nichts bei der Beurteilung des Grundrechtsschutzes verloren.


EU-widriger Dateibegriff

Als datenschutzrechtlich alter Hut und österreichisches Kuriosum erweisen sich einmal mehr die Erwägungen, dass die entsprechenden Aufnahmen keine Datei bilden würden und daher einem Auskunftsanspruch nicht zugänglich seien.

Es kann und darf juristisch keinen Unterscheid machen, ob - zu identen Zwecken - eine Bildaufzeichnung mit analogen oder digitalen Geräten erfolgt. Dies würde wiederum beliebige Umgehungshandlung ermöglichen. Insbesondere kann dem Argument, dass hier keine „strukturierte Datensammlung“ vorliege, schon deshalb nicht gefolgt werden, da die entsprechenden Aufnahmen nach einer Zeitabfolge beschriftet waren. Gerdae diese strukturierte Beschriftung wurde in der Absicht der raschen und leichten Auffindbarkeit von Informationen gemmacht.


DSK drückt sich vor inhaltlichen Entscheidungen

Selbstverständlich kann vieles zum Für und Wider privater Verkehrsüberwachung gesagt werden. Insbesondere Lärm und Abgasbelastungen können erhebliche - gesundheitliche - Grundrechtseingriffe zur Folge haben. Aufzeichnungen von möglichen Verkehrswidrigkeiten und starken Belästigungen können einen in der Sache angemessenen und gelinden Eingriff darstellen. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass ausschließlich öffentlich wahrnehmbares Verhalten aufgezeichnet wird.

In diesem Fall hätte sich die DSK jedoch inhaltlich mit der Datenaufzeichnung auseinander setzen müssen und vor dem Auskunftsrecht auch die Vorfrage der Rechtmäßigkeit der Datenanwendung prüfen müssen. Etwas, was die DSK seit vielen Jahren konsequent verweigert, stattdessen geht man weiter den Weg der rechtlich falschen Formalentscheidungen.

Dass in einem Justizsystem aus vielen Gerichten Entscheidungen von Ort zu Ort bzw. von Richter zu Richter rechtlich unterschiedlich ausfallen mögen, ist unvermeidbar. Dass eine und dieselbe Behörde ihre Spruchpraxis zu relevanten Themen im Halbjahrestakt ändert bzw. nicht an die Rechtsprechung der Höchstgerichte anpasst, ist hingegen eine äußerst grobe Fahrlässigkeit. Betroffenen wird die Geltendmachung ihrer Rechte geradezu verweigert, wie lang wird der Gestzgeber diesen anarchistischen Zustand noch akzeptieren?

--> http://ftp.freenet.at/beh/K121.036_0014-DSK_2005.pdf
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