2015/02/23 OGH bedingte Freiheitsstrafe für Richterin wegen privater Akteneinsicht MMag. Michael Krenn
OGH verurteilt Richterin zu bedingter Freiheitsstrafe wegen Akteneinsicht aus privaten Motiven - in öffentlicher Verhandlung vorkommende Daten sind nicht "allgemein verfügbar" iSd DSG 2000
Unberechtigte Abfragen aus dem Kfz - Zulassungsregister, dem Melderegister, dem Grundbuch oder anderen nicht öffentlich einsehbaren Dateien wurden in Österreich lange als „Kavaliersdelikte“ betrachtet. Spätestens seit dem Skandal um den widerrechtlichen „Ankauf“ von geschützten Exekutionsdaten durch ein Auskunfteiunternehmen nimmt die Justiz derartige Fälle zum Glück ernster. Der jüngste Fall (OGH 17Os41/14d) sticht nicht nur dadurch heraus, dass die Beschuldigte selbst Richterin war, sondern auch durch die besondere Unverfrorenheit, mit welcher die Protagonistin die widerrechtlich erlangten Daten nutzen wollte.
Zufallsinformation führte zu widerrechtlicher Akteneinsicht
Der Gatte der Beschuldigten - einer Richterin - hatte als Zuschauer ein bei Bezirksgericht geführtes Zivilverfahren mitverfolgt. Dort war unter anderem erörtert worden, dass eine der Prozessparteien - ebenfalls Richter - beim Kauf eines Autos einen zu geringen Kaufpreis in die Kaufvertragsurkunde eingefügt habe, „um nicht die gesamte Nova entrichten zu müssen“. In weiterer Folge bewarben sich der im Zusammenhang mit der Abgabenverkürzung genannte Richter und die Beschuldigte um die Planstelle des Vorstehers eines Bezirksgerichts. Die Beschuldigte nahm, nachdem sie das Aktenzeichen des genannten Zivilverfahrens in Erfahrung gebracht hatte - ohne dienstliches Erfordernis und ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten - elektronische Einsicht in die Daten des Zivilverfahrens und druckte mehrere Seiten des Verhandlungsprotokolls aus. Nachdem die Beschuldigte bei der Bewerbung ihrem Konkurrenten unterlag, wandte sie sich mit einer Beschwerde an die Gleichbehandlungskommission und legte dort auch das widerrechtlich erlangte Protokoll vor. Infolge wurde dieser Vorfall an die Staatsanwaltschaft angezeigt.
Beschwerde gegen bedingte Freiheitsstrafe
Im Rahmen des Verfahrens erster Instanz wurde die Beschuldigte aufgrund des festgestellten Tatbestands des Amtsmissbrauchs gem. § 302 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Begründet wird das Urteil damit, dass die Angeklagte durch die Einsichtnahme wissentlich ihre Befugnis zu derartigen Abfragen missbraucht habe. Sie habe dabei mit dem Vorsatz gehandelt, die an jenem Verfahren Beteiligten in deren Recht auf Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu verletzen. Die Beschuldigte erhob dagegen Nichtigkeitsbeschwerde an den OGH.
Darin machte die Beschwerdeführerin im Rahmen der Rechtsrüge geltend, die von der Beschwerdeführerin abgefragten Daten seien zufolge deren Erwähnung in einer öffentlichen Verhandlung allgemein verfügbar gewesen. Weiters brachte sie vor, es liege kein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen vor bzw. sie habe Anspruch auf Akteneinsicht gehabt.
OGH: Nennung in Verhandlung bedeutet nicht allgemeine Verfügbarkeit
§ 1 Abs 1 DSG 2000 normiere einen Anspruch auf Geheimhaltung jeglicher Informationen, die mit einer Person in Verbindung stehen oder gebracht werden könnten. In diesem Sinn geschützt sei daher auch die Information darüber, dass bestimmte Personen einen Kaufvertrag über ein Auto abgeschlossen, in diesem Zusammenhang ein Zivilverfahren geführt und allenfalls eine inhaltlich unrichtige Urkunde mit dem Ziel der Abgabenverkürzung erstellt hätten.
Allgemeine Verfügbarkeit im Sinn des § 1 Abs 1 zweiter Satz DSG 2000 sei nur dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der in Rede stehenden Verwendung von Daten diese tatsächlich (noch) jedermann zugänglich seien. Dies treffe etwa bei Daten zu, die in öffentlichen Registern oder Büchern, in Kundmachungen oder in sonstigen öffentlich abrufbaren Informationsquellen wie etwa dem Telefonbuch oder dem Internet auffindbar seien. Neben der jeweiligen Reichweite unterschiedlicher Arten von Öffentlichkeit (etwa in Form eines Gesprächs vor mehreren Anwesenden, einer Berichterstattung durch Massenmedien oder der Abrufbarkeit im Internet) sei - unter dem Aspekt fortdauernder Verfügbarkeit - die zeitliche Komponente zwischen einmaliger Veröffentlichung und Verwendung der Daten zu berücksichtigen. Nach diesen Kriterien könne von allgemeiner Verfügbarkeit in einer öffentlichen Verhandlung vorgekommener Daten - ohne qualifizierte Berichterstattung in Massenmedien oder dem Internet - nicht die Rede sein.
Wunsch nach Postenbesetzung kein „rechtliches Interesse“
Weiters scheide zwar Strafbarkeit nach § 302 Abs 1 StGB durch missbräuchliche Abfrage personenbezogener Daten aus, wenn dem Täter die erlangten Informationen schon vor der Abfrage bekannt gewesen seien. Der Tatbestand sei jedoch erfüllt, wenn die missbräuchliche Abfrage der Überprüfung des Wahrheitsgehalts einer (etwa nur gerüchteweise zugekommenen) Information oder der Aktualität von Daten diene.
Weiters sei das Erstgericht davon ausgegangen, dass diese die Abfrage gerade nicht zum Zweck der Erstattung einer (Straf- oder Disziplinar-)Anzeige durchgeführt habe.
Akteneinsicht stehe nicht am Verfahren beteiligten Personen bei Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses zu. Die Einsichtnahme müsse Bedeutung für die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Dritten haben, sich günstig auswirken bei Durchsetzung oder Abwehr eines Rechtsanspruchs. Nach dem Urteilssachverhalt seien die inkriminierten Abfragen nur im Zusammenhang mit einer Bewerbung der Beschwerdeführerin um eine richterliche Planstelle gestanden. Ein ihr daraus erwachsendes rechtliches Interesse sei - da es dabei nicht um die Durchsetzung oder Abwehr eines Rechtsanspruchs ging - nicht auszumachen. Vielmehr hätten die Abfragen lediglich ihrem Informationsbedürfnis und einem wirtschaftlichen oder sonstigen Interesse an der Ernennung auf diese Planstelle gedient.
Unberechtigte Zugriffe keine Kavaliersdelikte
Die Systematik ist meist ähnlich: Aus verschiedenen Gründen wollen Personen wissen, wem ein bestimmtes Kfz gehört, ob jemand Grundvermögen hat, ob der Betroffene arbeitet, etc... Gesetzlich ist der Zugriff auf Dateien, welche derartige Informationen bieten könnten, meist unzulässig. Dass ein derartiges Vorgehen in die datenschutzrechtlichen Interessen Betroffener eingreift und sogar gegen strafrechtliche Bestimmungen verstößt, ist den beteiligten Personen oft nicht bewusst.
Der hier anhängige Fall sticht allerdings von diesen Konstellationen heraus, als die Beschuldigte selbst Richterin war und daher wissen musste, dass ihre Abfrage widerrechtlich erfolgt und den Tatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllt. Erstaunlich ist daher vor allem die Unverfrorenheit, solche Daten noch selbst in behördlichen Verfahren zu verwenden.
Rechtlich bringt der Fall auch wesentliche Erkenntnisse: Dass von „allgemein verfügbaren Daten“, bei welchen kein Schutzanspruch besteht, nicht die Rede sein kann, wenn es zu einer einmaligen Nennung in einer - wenn auch öffentlichen Verhandlung - kommt, ist völlig richtig und nachvollziehbar. Auch ein rechtliches Interesse an der Einsicht wurde richtigerweise verneint: Selbst wenn es der Beschuldigten daran gelegen wäre, das Verhalten ihres Konkurrenten bei der zuständigen Behörde zur Anzeige zu bringen, wäre die „Eigenrecherche“ durch Akteneinsicht nicht geboten gewesen: Eine Anzeige hätte nur den Sachverhalt unter Nennung des Gerichtsverfahrens, allenfalls unter Angabe des Gatten als Zeugen umfassen müssen - auch hier wäre daher kein Anlass für ein Abrufen des Akteninhalts gewesen.
Aus Sicht des Datenschutzes ist zu hoffen, dass derartige Fälle eine generalpräventive Wirkung ausüben und das Bewusstsein schärfen. Illegale Abfragen von Daten sind kein „harmloses Vergnügen“, sondern die Schädigung anderer Personen.
mehr --> OGH Entscheidungen OGH 24.11. 2014 17Os40/14g (17Os41/14d)
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