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Freibrief zur Verwertung rechtswidrig erlangter Tonaufnahmen in Gerichtsverfahren?
Die Verwendung eines Tonaufnahmegerätes oder Abhörgerätes steht unter strenger Strafe - dagegen kann man sich sowohl zivil- als auch strafrechtlich wehren - offenbar nicht wenn die Aufnahme vor Gericht verwendet wird - OGH stellt bedenklichen Freibrief aus

§ 120 Abs 1 Strafgesetzbuch stellt die Verwendung eines Tonaufnahmegerätes oder Abhörgerätes unter Strafe, wenn dies dazu dient, sich von einer nicht öffentlichen und nicht für denjenigen zur Kenntnisnahme bestimmten Äußerung, Kenntnis zu verschaffen. Die Strafdrohung beträgt bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bzw. bis zu 360 Tagessätzen Geldstrafe. Gegen Verletzungen des sogenannten Rechts am eigenen Wort kann somit grundsätzlich sowohl zivil- als auch strafrechtlich vorgegangen werden.

Eine andere Sache ist es allerdings, ob rechtswidrig erlangte Tonaufnahmen als Beweismittel in gerichtlichen Verfahren herangezogen werden dürfen. Eine neue Entscheidung des OGH (1Ob172/07m) stellt für derartige Tondokumente und Aufzeichnungen einen bedenklichen Freibrief bei gerichtlicher Verwertung aus.


Ausgangsfall

In einem Verfahren betreffend Entgelte aus einem Bestandsvertrag legte die beklagte Partei Protokolle über Telefongespräche zwischen Zeugen sowie zwei CDs mit den aufgenommenen Gesprächen vor. Die Aufzeichnung von wichtigen Gesprächen sei für interne Zwecke bei der beklagten Partei vorgesehen. Die Tonbandaufnahmen und die Protokolle würden vorgelegt, weil ein Zeuge Vereinbarungen abgestritten habe. Daher seien sämtliche Telefongespräche der letzten Jahre durchforstet worden und würden diese aufgrund eines Beweisnotstands nunmehr vorgelegt und beantragt, den betreffenden Zeugen zu den vorgelegten Urkunden bzw Tonbandaufnahmen zu befragen. Die klagende Partei beantragte, die vorgelegten Beweismittel „im Verfahren nicht zu verwenden", weil der Zeuge der Aufzeichnung der Gespräche nie zugestimmt habe.

Das Gericht zweiter Instanz entschied hinsichtlich der Gesprächsprotokolle, dass deren Vorlage grundsätzlich zulässig sei, wogegen ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof erhoben wurde.


Entscheidung des OGH

Der Oberste Gerichtshof nahm in seiner Entscheidung zunächst Bezug auf eine Vorjudikatur (4Ob247/99y) in welcher dargelegt worden war, dass in einem Zivilverfahren, in dem nach dem Gang des Verfahrens ein Prozessbetrugsversuch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, eine Notwehrsituation vorliege, in der die Zulässigkeit der Vorlage einer rechtswidrig erlangten Tonaufnahme zu bejahen ist.

Allerdings dürfe eine derartige Tonbandaufnahme nach entsprechender Interessenabwägung nur in besonderen Ausnahmefällen (Notwehr, Notstand, Verfolgung überragender berechtigter Interessen) in einem Rechtsstreit verwendet werden. Gäbe es im Prozess weitere Beweismittel wie beispielsweise Zeugen, lägen keine Rechtfertigungsgründe für die geheime Tonbandaufnahme dar.

Dem Beweisführer obliege dabei der Beweis, dass er die Tonaufzeichnung bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötige und dass der von ihm verfolgte Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig seien als die bei der Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners.


Recht am eigenen Wort?

In seinen weiteren Darlegungen relativiert das Höchstgericht das zugesicherte „Recht am eigenen Wort“. Zwar folge aus § 16 ABGB ein allgemeines Persönlichkeitsrecht abgeleitet, das auch den Schutz des Rechts am gesprochenen Wort bzw. am privaten gesprochenen Wort umfasse. Anders als bei den besonderen Persönlichkeitsrechten handle es sich beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht um kein absolutes Recht. Es finde sich keine umfassende gesetzliche Anerkennung des Rechts am gesprochenen Wort in der österreichischen Rechtsordnung, daher könne eine heimliche Aufnahme gerechtfertigt sein, wenn sie den Interessen des Sprechenden nicht widerspreche, was etwa bei telefonischen geschäftlichen Mitteilungen, Durchsagen und Bestellungen, also wenn der Inhalt im Vordergrund stehe und die Identität des Sprechenden nebensächlich sei, anzunehmen sei.


Verwendung sogenannter „Transkripts“ ohne Interessenabwägung möglich

Die konkrete Entscheidung betrifft ein sogenanntes „Transkript“, somit die Niederschrift einer zuvor rechtswidrig erlangten Tonaufnahme.

Für den hier zu beurteilenden Fall der Verwertung eines Transkripts eines heimlich aufgenommenen Gesprächs ist nach Meinung des OGH festzuhalten, dass dessen Verwendung nicht von § 120 StGB erfasst sein soll. Das Strafgesetzbuch differenziere beim strafrechtlichen Schutz zwischen der Tonaufnahme selbst und einem davon hergestellten Transkript.

Transkripte seien mit der Tonbandaufzeichnung deshalb nicht gleichzusetzen, weil sie jedenfalls nicht die Authentizität der „Gesprächskonserve" beanspruchen könnten und sich aus der Urkunde allein nicht schon die Vollständigkeit der Übertragung ergebe. Bei Transkripten von Tonaufnahmen ist daher nach Auffassung des Höchstgerichts  für deren prozessuale Verwertbarkeit eine Interessenabwägung nicht vorzunehmen.

Im Endergebnis bedeutet dies: Während die Verwendung von Tonaufnahmen, die- strafgesetzwidrig- ohne Einwilligung des Betroffenen erstellt wurden als Beweismittel in Gerichtsverfahren nur in Fällen sogenannten „Beweisnotstands“ zulässig ist, können schriftliche Aufzeichnungen, die aufgrund der erlangten Tonaufnahmen erstellt wurden, jedenfalls immer verwertet werden.


Kritik

Zunächst ist festzuhalten, dass schon die Rechtsauffassung, dass die Verwendung sogenannter „Transkripts“ nicht dem Strafgesetzbuch unterliegen soll, höchst zweifelhaft ist. Zwar wird die Anfertigung und Weitergabe eines Transkripts eines Tonbandmitschnitts selbst nicht als tatbildlich gesehen, gibt der Gesprächspartner aber das Tonband an einen Dritten weiter, damit dieser das Transkript anfertigt, begründet diese Weitergabe nach bisher herrschender Ansicht sehr wohl Strafbarkeit. Sofern daher das Transkript durch irgendeine andere Person als den ursprünglichen Gesprächspartner hergestellt wurde - etwa eine Sekretärin - ist es das Ergebnis einer strafbaren Handlung. Da die Herstellung des Transkripts ohne Tonaufnahme gar nicht möglich ist, ist es das aber jedenfalls schon dann, wenn die ursprüngliche Tonaufnahme ohne Einwilligung des Gesprächspartners erfolgte. Die Argumentation, derartige Transkripts seien kein Ergebnis einer strafbaren Handlung und würden keine Verletzung des Rechts am eigenen Wort darstellen, ist nicht nachvollziehbar.

Zwar muss festgehalten werden, dass die Beweiskraft eines aufgrund einer rechtswidrigen Tonaufnahme hergestellten schriftlichen Urkunde unter jener der Tonaufnahme liegt. Allerdings ist nicht einsichtig, warum dies bewirken sollte, dass eine Verwendung als Beweismittel jedenfalls zulässig ist, zumal sicherlich ein gewisses quantum an Beweiskraft vorhanden ist. In der Bewertung sollte entscheidend sein, dass auch aufgrund von rechtswidrigen Tonaufnahmen hergestellte Urkunden rechtswidrig erlangte Beweismittel darstellen und eine prozessuale Verwertung sollte nur dort zulässig sein, wo man nach einer intensiven Interessenabwägung zum Ergebnis gelangt, dass die Möglichkeit des Aufzeichners, seine Rechte geltend machen zu können, tatsächlich höher zu bewerten ist als der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen.


Resumee

Bezüglich Herstellung und Verwendung personenbezogener Tondokumente gibt es in Österreich zwar umfassende gesetzliche Regelungen, allerdings ist zu bedenken, dass hinsichtlich der Einhaltung derartiger Normen auch ein gewisser Präventivcharakter vorhanden sein muss. Wenn jemand aufgrund einer rechtswidrigen Tonbandaufnahme zwar eine - milde - Strafe zu befürchten hat, diese allerdings anstandslos in einem Gerichtsverfahren verwenden kann, ist unschwer zu erraten, von welchen Beweggründen sich potentielle Verletzer der Privatsphäre leiten lassen mögen.

OGH-Entscheidungen wie die zitierte erweisen dem Recht auf Privatsphäre jedenfalls keinen guten Dienst.

mehr --> Dürfen Telefongespräche aufgezeichnet werden?
mehr --> OGH 1Ob172/07m
Archiv --> Fehleinschätzung des OGH: Geheimhaltung nur bei "strukturierte...

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