Smart Meter: Österreich ignoriert europäische Entwicklung
Chaos bei Smart Meter - Einführung geht weiter - E-Control legt unausgegorene Verordnung für "smarte" Gaszähler vor - EU-Entwicklungen, Konsumenteninteressen und Grundrecht auf Privatsphäre werden ignoriert - Stellungnahme der ARGE DATEN enthält zahlreiche Verbesserungsvorschläge
Während ganz Europa an einheitlichen Standards für elektronische Energiezähler (Smart Meter) arbeitet, ignoriert Österreich diese Entwicklungen und präsentiert eine unausgegorene Verordnung zu elektronischen Gaszählern.
Damit setzen Wirtschaftsministerium und E-Control die 2010 begonnene chaotische Smart Meter - Politik fort. Zum Schaden der Konsumenten, aber auch zum Schaden der Energiewirtschaft.
Europaweit ist längst klar, dass die Smart Meter der ersten Generation unsicher und technisch mangelhaft sind und eine rasche Ablöse erfordern. Derzeit sind elektronische Stromzähler im Einsatz, die mehr als das doppelte der Energie der alten Zähler verbrauchen und jede denkbare Energieeinsparung zunichte machen.
EU-Kommission und europäische Normungsgremien haben zahlreiche Empfehlungen erarbeitet, die einen sicheren UND effizienten Smart Meter Einsatz ermöglichen sollen. Alle diese Empfehlungen werden in Österreich ignoriert.
Warum Smart Meter?
Grundsätzlich ist gegen elektronische Zähler nichts einzuwenden. Smart Meter sollen in Zukunft die Energienutzung effizienter machen, indem sie Konsumenten über ihren Energieverbrauch informieren. Gleichzeitig können sie die Grundlage für Smart Grids, neue Energienetze, bilden, an denen auch Klein- und Kleinsterzeuger aktiv teilnehmen.
Einheitliche europäische Normen von großer Bedeutung
Aufgrund der engen Vernetzung europäischer Energienetze arbeiten zahlreiche Europäische Institutionen an einheitlichen Richtlinien, Standards und Normen für sichere Smart Meter in ganz Europa. Während die Arbeit an ersten Standards kurz vor dem Abschluss steht, prescht Österreich mit einer ungeeigneten Gaszählerverordnung erneut vor, ohne genau zu wissen wohin Europa sich bewegt.
Nach den elektronischen Stromzählern jetzt elektronische Gaszähler
Österreichs Stromnetzbetreiber wurden bereits im April 2012 dazu verpflichtet, bis Ende 2017 mindestens 70% ihrer Zähler auf Smart Meter umzustellen. Bis Ende 2019 wünscht sich Wirtschaftsminister Mitterlehner sogar 95% Smart Meter.
Jetzt werden die elektronischen Gaszähler "geregelt". Dazu hat die E-Control, Österreichs Regulierungsbehörde für Strom und Gas, die „Intelligente Gas-Messgeräte-AnforderungsVO 2012“, kurz IGMA-VO 2012, zur Begutachtung verschickt.
Der vorgelegte Entwurf entspricht jedoch nicht den Vorgaben des Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011). So sollte neben den Mindestfunktionalitäten der Messgeräte, deren Funktionsumfang, das anzuwendende Datenformat sowie die Ausgestaltung der Datenschnittstellen festgelegt werden. Der IGMA-VO 2012 Entwurf begnügt sich mit vagen Formulierungen und Allgemeinplätzen, wie: „Die intelligenten Messgeräte haben die Möglichkeit zu bieten, Befehle und Daten in einem dem Stand der Technik entsprechend gesicherten Verfahren senden und empfangen zu können.“
Wie bei den elektronischen Stromzählern will die E-Control erneut wichtige Entscheidungen über die Zukunft der österreichischen Energienetze den Netzbetreibern überlassen und verursacht vermeidbare Verunsicherung bei Netzbetreibern und Konsumenten. Werden Gaszähler installiert, die nicht den kommenden europäischen Standards entsprechen, so drohen für die Gaslieferanten hohe "stranded Investments".
Datenschutz - kein Thema für die E-Control?
Smart Meter bietet die Möglichkeit die Privatsphäre der Konsumenten in einem noch nie da gewesenen Maß direkt in der Wohnungen auszuspionieren. Ein Faktum, dass die E-Control gänzlich ignoriert. Die Liste derjenigen, die an detaillierten Energieverbrauchsprofilen interessiert sind, ist lang. Vom Arbeitgeber über Vermieter, Versicherungen und Statistikern bis hin zu Sicherheitsbehörden könnten viele daran interessiert sein zu erfahren, wann jemand zuhause war und was er gemacht hat.
Zum Datenschutz heißt es im Verordnungsentwurf nur, dass Messgeräte datenschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechen müssen. Ein überflüssiger Allgemeinplatz, da alle BürgerInnen und Energielieferanten sowieso alle Gesetze beachten müssen. Bedenken des Datenschutzrates und der ARGE DATEN aus den Jahren 2010 und 2011 blieben unbeachtet!
Mindestanforderungen für die Einführung "smarter" Zähler
In ihrer umfassenden Stellungnahme hat die ARGE DATEN auf die Mängel im IGMA-VO 2012 Entwurf hingewiesen und folgende Verbesserungen gefordert (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/stellugnahme-igma-vo-20...).
1) Datenschutzrechtliche Sanierung des Gaswirtschaftsgesetzes 2011. Verwendungszwecke und Verantwortlichkeiten müssen exakt definiert werden.
2) Verpflichtende Durchführung einer Datenschutzfolgeabschätzung vor Einführung von elektronischen Zählern. Die Europäische Kommission arbeitet bereits an einem einheitlichen Muster dazu.
3) Verpflichtende Berücksichtigung der Prinzipien des konzeptionsbedingten und standardmäßigen Datenschutzes (privacy by design, privacy by default).
4) Verpflichtung der Netzbetreiber zur Durchführung einer Datenschutz-Zertifizierung ihres Zählernetzes.
5) Festlegung von klaren Anforderungen an elektronische Messgeräte anhand der bestehenden europäischen Normen.
Diese Anforderungen orientieren sich an der Empfehlung der Europäischen Kommission „zur Vorbereitung für die Einführung intelligenter Messsysteme“ (Empfehlung 2012/148/EU). Diese Empfehlung umfasst Datenschutz genauso wie technische Datensicherheit, die wirtschaftliche Bewertung von Smart Meter Systemen und deren Mindestanforderungen. Keine diese Empfehlungen wurde von der E-Control berücksichtigt.
Konsumenteninteressen werden ignoriert
Mehrere Studien haben sich mit der Darstellung des Energieverbrauchs und deren Auswirkung auf das Energiesparverhalten von Konsumenten beschäftigt. Dabei zeigte sich, je unmittelbarer die Darstellung des Energieverbrauchs, umso eher wird Energie gespart.
Nach den Vorstellungen der E-Control sollen die Konsumenten aber keinen direkten Zugriff auf ihre Messdaten erhalten. Die Schnittstelle, die der Übertragung der Messwerte dient, soll zwar sämtlichen anderen "Berechtigten" zur Verfügung gestellt werden - nicht aber den Konsumenten.
Innovative Lösungen, den Energieverbrauch zu visualisieren werden damit ausgeschlossen. Konsumenten, die sich für ihren Energieverbrauch interessieren, müssen einen Tag warten bis die Netzbetreiber ihren Verbrauch im Internet anzeigen. Ein aktives Energiesparen ist damit nicht möglich.
Fazit
Die geplante Verordnung IGMA-VO 2012 kommt zu früh, sie ist inhaltlos und entspricht auch sachlich nicht dem Gaswirtschaftsgesetz (GWG). Es ist sinnlos, dass Österreich beim Thema Energienetze vorprescht, während die Arbeiten auf europäischer Ebene noch gar nicht abgeschlossen sind.
Mangelnde Standards, mangelnde Sicherheit können zur Gefährdung der Energieinfrastruktur führen, letztlich auch zum großflächigen Austausch ungeeigneter Zähler. Netzbetreibern drohen enorme Kosten, die sie als "stranded investments" abschreiben müssen.
Besorgniserregend bleibt auch das Ignorieren des Grundrechts auf Privatsphäre. Werden Datenschutzaspekte ignoriert, dann besteht die Gefahr, dass Konsumenten die elektronischen Messgeräte ablehnen und die Einführung - so wie in den Niederlanden - scheitert.
mehr --> Empfehlung der EU-Kommission 2012/148/EU - Vorbereitungen für die Einführung intelligenter Messsysteme mehr --> Zusammenstellung: Alle Beiträge zu Smart Metering
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