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2007/11/07 Sicherheitspolizeigesetz mit neuen ausufernden Ermächtigungen
Neue Befugnisse verschafft das Sicherheitspolizeigesetz dem Innenministerium - eine Fülle von unklaren Datenermittlungen eröffnet willkürlicher Anwendung Tür und Tor - Telefonüberwachung sollte an richterlicher Genehmigung vorbei organisiert werden - Polizei wird zum nationalen Sittenwächter - selbst im Datenschutzrat regte sich Widerstand

Ausweitung der Zugriffsbefugnisse auf Telekomdaten

Der ursprüngliche Entwurf des Sicherheitspolizeigesetzes sah eine Ausweitung der Befugnisse zur Telekom-Überwachung vor. Die Formulierungen des geänderten §53 Abs. 3a waren offensichtlich bewusst so gewählt, dass nicht klar war unter welchen Bedingungen ("allgemeine Hilfeleistung") welche Telefondaten zu beauskunften wären. Unter Berufung auf diese Bestimmung, die ja vom Telefonbetreiber nicht überprüft werden könnte, wäre es möglich gewesen die richterliche Anordnung von Telefonüberwachungen zu "vermeiden", also schlicht die Sicherungsmechanismen der Strafprozessordnung zu umgehen. Nicht einmal der "berühmt-berüchtigte" interne Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums wäre mit der Sache befasst.

Etwas sauer kündigte daher ein BMI-Beamter im Datenschutzrat an: "Dann werde man halt mit der Umsetzung dieser Bestimmung [dieses Überwachungswunsches, Anm.] warten bis die Vorratsspeicherung durch ist." Eine Ankündigung, die aus Sicht des Verfassungsschutzes wohl nur als gefährliche Drohung zu verstehen ist.


Steht "Anbandeln" in Zukunft unter Strafe?

Unter § 58d SPG soll eine "Zentrale Analysedatei" über mit beträchtlicher Strafe bedrohte Gewaltdelikte, insbesondere sexuell motivierte Strafdaten, geschaffen werden. Der Kampf gegen sexuell motivierte Strafdaten ist jedenfalls löblich und nicht nur der Zustimmung politischer Rechtsaußen sicher.

Doch ein Blick auf den Umfang dieser "Analysedatei" lässt Zweifel an der rechtsstaatlichen Redlichkeit des Vorhabens aufkommen.

Es sollen hier nicht nur personenbezogene Daten, welche tatsächlich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem entsprechenden Strafdelikt stehen, erfasst werden, sondern sich die entsprechende zentrale Datei auch auf den Sachverhalt des sogenannten „verdächtigen Ansprechens“ beziehen.


Eine überaus fragwürdige Regelung

Es ist jedenfalls prinzipiell fragwürdig, wie ein entsprechendes "verdächtiges Ansprechen, bei welchem ein sexuelles Motiv vermutet werden kann" zu definieren ist. Der Leser des geplanten Gesetzesvorhabens kann zwar vermuten, in welche Richtung der Autor des Gesetzes gedacht hat, die geplante Gesetzesfassung erlaubt es aber, unter den vorgesehenen Tatbestand auch Sachverhalte zu subsumieren, bei denen fragwürdig ist, ob der Gesetzgeber tatsächlich deren Einbeziehung wünscht.

Es ist zu bedenken, dass in unserer Gesellschaft in verschiedensten Situationen - Diskotheken, Lokale, Parties, .... - laufend Kontaktaufnahmen erfolgen, welchen wohl in so gut wie jedem Fall ein sexuelles Motiv zugrunde liegen dürfte. Kontaktaufnahmen, die nicht immer von beiden Seiten aus dem gleichen Blickwinkel gesehen werden und die oft eigentümlichen Ritualen unterliegen und milieubedingt stark variieren können.

Auch die Einbeziehung des zweiten Tatbestandsmerkmals einer - geplanten strafbaren Handlung - schränkt derartige Sachverhalte nur in unzureichendem Ausmaß ein. Im Gegensatz zur Bezeichnung der entsprechenden Gesetzesbestimmung erfolgt im Text der Regelung keine Einschränkung auf strafbare Handlungen nach § 17 SPG („mit beträchtlicher Strafe bedrohte, strafbare Handlungen“).

Zu bedenken ist, dass die vorgesehene Bestimmung – nach deren eigenem Wortlaut - sämtliche Delikte gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung erfasst. Unter die entsprechenden Straftatbestände fallen somit nicht nur Delikte wie Vergewaltigungen bzw. schwere Eingriffe in die körperliche Integrität, sondern auch unscharfe Bestimmungen, wie „sexuelle Belästigungen“ nach §218 StGB. Situationen, die auf das Delikt zutreffen können werden milieu- und situationsbedingt von den Betroffenen (allen Betroffenen) extrem unterschiedlich wahrgenommen wird.


Polizeiliche Sittenwächter?

Die vorliegende Bestimmung würde es aber der Polizei als letztlich unbeteiligten Dritten erlauben, einzuschreiten und Daten zu erheben, wenn aus IHRER Sicht dieser Tatbestand erfüllt sein könnte. Eine geradezu groteske Eingriffsmöglichkeit in die Privatsphäre.

Wer das Umfeld und die Stimmung in bestimmten Lokalitäten kennt, wird anbetrachts der entsprechenden Bestimmung ersehen können, dass diese in der nunmehr vorgesehenen Form die Sicherheitsbehörden zur massenweisen Datenverarbeitung ermächtigt, dies auch in Bezug auf Umstände, die nicht in Verbindung mit klassischen Sexualstraftaten - zumindest nicht mit mit beträchtlicher Strafe bedrohten Gewaltdelikten, insbesondere sexuell motivierte Straftaten - stehen.

Aufgrund der vorgesehenen Bestimmung ist es jedenfalls auch nicht völlig ausgeschlossen, dass künftig möglicherweise schon ein harmloser Flirtversuch ausreichen könnte, um zu einem entsprechenden Registereintrag zu führen.

Ein Gesetzgeber, der offensichtlich glaubt, sexuelle Straftaten präventiv bekämpfen zu können, indem er in einer liberalen und westlichen Gesellschaft normale und harmlose Kontaktaufnahmen kontrolliert und mit einer zentralen Datenverarbeitung sanktioniert, wird rasch in fundamentalistische Positionen abgleiten, von denen er vorgibt sie an anderer Stelle zu bekämpfen.


Votum Separatum im Datenschutzrat eingebracht

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Obgleich es löblich ist, dass der Datenschutzrat einige Exzesse des geplanten Sicherheitspolizeigesetzes kritisiert, fehlt doch der Mut einer grundlegenden Kritik am Konzept der ausufernden Datensammlungen, es war daher notwendig in einem Votum Separatum spezifisch auf die kritisierten Datensammlungen einzugehen."

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