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Sind negative Äußerungen des ehemaligen Dienstgebers über Arbeitnehmer zulässig?
"negative Informationen" ehemaliger Arbeitgeber in Dienstzeugnissen sind unzulässig - Bestimmungen zu den Dienstzeugnissen nicht direkt auf mündliche Meinungsäußerung anwendbar - OGH lässt erstmals negative, mündlich vorgetragene Meinungsäßerungen zu, sofern sie Qualifikationen betreffen - wenig erfreulche Differenzierung zwischen mündlichen und schriftlichen Äußerungen

Allgemein bekannt ist, dass „negative Informationen“, welche das Fortkommen der Arbeitnehmer behindern könnten, in Dienstzeugnissen unzulässig sind. Legendär sind die Versuche der Arbeitgeber, durch verschiedene Chiffrierungen und verdeckte Bewertungen dieses Verbot zu umgehen. Ob es früheren Arbeitgebern erlaubt ist, über negative Erfahrungen auf Anfrage hin mündlich zu berichten, war bislang nicht gerichtlich geklärt. Eine Entscheidung des OGH (9ObA104/07w vom 7.2.2008) setzt sich mit dieser Thematik auseinander und bringt neue Erkenntnisse.


Anlassfall

Das Dienstverhältnis der Klägerin endete durch Dienstgeberkündigung. Die Klägerin bewarb sich danach bei verschiedenen Dienstgebern, ohne eine Anstellung zu finden. Im Rahmen einer der Bewerbungen erzählte die spätere Klägerin, dass sie bei der Beklagten gearbeitet habe, worauf sie gefragt wurde, ob sie „die Dame mit den mangelnden Englischkenntnissen sei“, weil das die zuständige Filialleiterin erzählt habe. Aus diesem Anlass beauftragte die Klägerin ein Detektivbüro, dessen Mitarbeiter sich gegenüber der Beklagten als Filialleiter eines Baumarkts ausgab. Er erkundigte sich über die Klägerin, wobei er angab, dass sich diese bei ihm beworben habe. Er ersuchte bei der Regionalleiterin der Beklagten um Auskünfte über die Klägerin, da er beabsichtige, sie einzustellen und wurde von der Regionalleiterin zunächst auf das Dienstzeugnis verwiesen.

Nach mehrmaligem Drängen antwortete die Regionalleiterin auf die Frage, warum die Klägerin gekündigt worden sei, sinngemäß, dass die Klägerin einerseits ständig zu Gericht renne, andererseits in ihrer Arbeit unfähig sei, zu häufig in Krankenstand gehe und sie die Beklagte nicht mehr anstellen würde.


Verfahren

Die Klägerin brachte gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin eine Klage mit dem Begehren ein, es in Hinkunft zu unterlassen, unrichtige und ungünstige Auskünfte, die das Fortkommen der Klägerin erschweren und ihren berechtigten Interessen zuwiderlaufen, zu unterlassen. Ferner begehrte sie die Feststellung, dass die Beklagte ihr für die durch ihre unrichtigen und ungünstigen Auskünfte entstandenen Schäden hafte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und begründete dies damit, dass Arbeitgeber nach § 39 Abs 1 AngG verpflichtet seien, ein Dienstzeugnis auszustellen und dabei keinerlei Eintragungen und Anmerkungen machen dürften, die die Erlangung einer neuen Stelle erschwerten. Dagegen habe die Erfüllungsgehilfin der Beklagten verstoßen. Dass diese Äußerungen nicht im Dienstzeugnis gemacht worden seien, mache keine Unterschied.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Im Wesentlichen ging es dabei darum, ob die Beklagte für die Äußerungen ihrer betreffenden Mitarbeiterin hafte, weil diese nicht im Zusammenhang mit der Erfüllung eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses erfolgt seien. Der Geschäftsherr hafte nur für Handlungen des Gehilfen, die mit der Erfüllung in einem inneren Zusammenhang stehen. Die „gelegentlich" gesetzten Äußerungen seien der Beklagten jedenfalls nicht im Rahmen der sogenannten „Erfüllungsgehilfenhaftung“ zurechenbar. Gegen die Entscheidung der Zweitinstanz wurde Revision an den OGH erhoben.


Entscheidung des OGH: Verletzung der Fürsorgepflicht durch Negativauskünfte

Der OGH befasste sich in seiner Entscheidung eingangs mit der Frage, ob überhaupt ein entsprechendes Unterlassungsbegehren zulässig sei. Aus formellen Gründen wurde das geltend gemachte Unterlassungsbegehren als zu weitgehend formuliert und daher unzulässig erachtet. Dennoch wurden im Rahmen der Entscheidung auch auf die Zulässigkeit der mündlichen Äußerungen eingegangen.

Inhaltlich wurde festgehalten, dass keine detaillierte gesetzliche Regelung zur Frage von informellen Auskunftserteilungen durch Mitarbeiter eines früheren Arbeitgebers über andere Mitarbeiter besteht. Daher können nach Auffassung des OGH  die Bestimmungen über die Ausstellung von Arbeitszeugnissen nicht unmittelbar herangezogen werden. Allerdings geht das Höchstgericht bei dem Arbeitgeber zurechenbaren Auskünften von einem Nachwirken der sogenannten "Fürsorgepflicht" des Arbeitsverhältnisses aus.

Es kann daher der Schutz der Arbeitnehmer über die Bestimmungen des ABGB, der sich nur auf die Verbreitung „unrichtiger" Tatsachen bezieht, hinausgehen. Bei der konkreten Abwägung zwischen den Informationsinteressen des neuen Arbeitgebers, den Interessen des „alten" Arbeitgebers und jenen des Arbeitnehmers ist nach Auffassung des OGH sowohl auf die Grundsätze der Interessenabwägung des § 1 Abs 1 DSG als auch auf die einschlägigen arbeitsrechtlichen Wertungen Bedacht zu nehmen. Während sachliche Auskünfte hinsichtlich konkreter für den neuen Arbeitgeber erforderlichen Fähigkeiten - hier der Englischkenntnisse - seitens des OGH als unbedenklich eingestuft werden, sind Auskünfte über die „Klagsfreudigkeit" des Arbeitnehmers nach Auffassung des OGH als unzulässig anzusehen.


Zurechnung von Mitarbeitern

Die dem Arbeitgeber zur Last fallende Zurechnung des Verhaltens der einzelnen Mitarbeiter (Vorgesetzter oder Arbeitskollegen) ist nach Ansicht des OGH unterschiedlich zu sehen. Es ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber für seine "Repräsentanten", Personen, welche nach der Rechtsprechung innerhalb des Unternehmens eine Stellung innehaben, vermöge der sie effektiv und in entscheidender Weise an der Leitung des Unternehmens teilzunehmen berufen sind, einzustehen hat.

Die Bezeichnung der betreffenden Mitarbeiterin der Beklagten als Regionalleiterin  wurde seitens des Gerichts als ein Hinweis auf eine derartige Repräsentantenstellung eingestuft. Zu erörtern ist nach Meinung des Höchstgerichts aber noch, ob die betreffende Mitarbeiterin der betriebsinternen Organisation zur Abgabe solcher Äußerungen an Außenstehende grundsätzlich zuständig war.


Resumee

Zusammenfassend liefert die besprochene OGH-Entscheidung, welche den Fall nicht abschließend erledigt hat, folgende – aus datenschutzrechtlicher Sicht - relevante Erkenntnisse:

-) Die Bestimmungen über die Ausstellung von Dienstzeugnissen, können hinsichtlich mündlicher „Negativäußerungen“ des früheren Arbeitgebers nicht unmittelbar herangezogen werden.

-) Die Fürsorgepflicht“ des Arbeitsverhältnisses bewirkt aber einen gewissen Schutz, wobei eine konkrete Abwägung zwischen den Informationsinteressen des neuen Arbeitgebers, den Interessen des „alten" Arbeitgebers und jenen des Arbeitnehmers durchzuführen ist.

-) negative sachliche Auskünfte hinsichtlich konkreter für den neuen Arbeitgeber erforderlicher Fähigkeiten können - mündlich erteilt - im Gegensatz zur Aufnahme in das Dienstzeugnis zulässig sein.

Auch wenn noch keine endgültige Entscheidung zu dieser Frage vorliegt, bleibt die Entscheidung des OGH aus Sicht des Arbeitnehmers sowie des Datenschützers unbefriedigend. Es ist nicht einsichtig, warum der Gesetzgeber, welcher bei schriftlichen Dienstzeugnissen ein generelles Verbot unvorteilhafter Äußerungen getroffen hat, bei mündlichen Auskunftserteilungen eine andere Wertung treffen sollte.

Auf Basis der betreffenden Entscheidung bestehtdie massive Gefahr der Umgehung der Gesetzesbestimmungen zum Dienstzeugnis und der Aushöhlung des Arbeitnehmerschutzes. Die Bestimmung über Dienstzeugnisse hat den Sinn, zu verhindern, dass Arbeitnehmer durch subjektive Wertungen ehemaliger Arbeitgeber der Weg in die Zukunft verbaut wird. Letztlich sollte sich jeder neue Arbeitgeber über - vorhandene oder nicht vorhandene - Fähigkeiten potentieller Mitarbeiter überzeugen, dafür gibt es die Bestimmungen über das sogenannte "Probemonat".


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