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2008/10/12 VwGH rügt DSK: Datenschutz bei erkennungsdienstlicher Behandlung falsch judiziert
Beschwerden gegen Entscheidungen der Datenschutzkommission vor den österreichischen Höchstgerichten haben eine überdurchschnittlich gute Aussicht auf Erfolg - DSK ignoriert frühere höschtgerichtliche Entscheidungen - diesmal hat die DSK die Datenschutzrechte bei erkennungsdienstlicher Behandlung beschränkt

Beeindruckendes Beispiel ist ein aktuelles Erkenntnis des VwGH (2005/06/0125) über die Voraussetzungen zur von Strafverdächtigen. Die Entscheidungen zu dieser Frage sind mittlerweile legendär, dennoch entschied die DSK wieder mal gegen die Interessen des Bürgers.


Erkennungsdienstliche Behandlung

Gemäß  § 65 Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stehen, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint. Der Schluss, dass "gefährliche Angriffe" zu erwarten sind, kann wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen gezogen werden.

Es ist auf die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Verhinderung weiterer gefährlicher Angriffe durch das Wissen um die Möglichkeit einer Wiedererkennung abzustellen. Die Notwendigkeit zur erkennungsdienstlichen Behandlung (Fotoaufnahmen bzw. Abnahme von Fingerabdrücken) von Verdächtigen ergibt sich nicht aus einem vorliegenden Tatverdacht, sondern aus einer einzelfallbezogenen Prognose über die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten. Dieser Grundsatz wurde auch bereits in zahlreichen Erkenntnissen der Höchstgerichte bestätigt, bis zur DSK ist diese "Neuigkeit" noch nicht durchgedrungen.


Folgen einer Fahrzeugkontrolle

Anlässlich einer Fahrzeugkontrolle waren beim Betroffenen durch Beamte eines Gendarmeriepostens Haschisch in einer geringen Menge sowie sogenannte "Suchtgift-Utensilien" (eine Mühle, eine Jointbox sowie eine Filmdose) aufgefunden worden.

Der Betroffene wurde aufgefordert, zwecks Aufnahme seiner Personalien und Einvernahme als Verdächtiger freiwillig zum Gendarmeriepostenkommando mitzukommen und kam dieser Aufforderung nach. Dort wurde eine Reihe von Daten des Verdächtigen ermittelt, außerdem  wurde er durch Anfertigung von Lichtbildern und Abnahme eines Zehnfingerabdrucks erkennungsdienstlich behandelt.

Die so ermittelten personenbezogenen Daten wurden von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft als Sicherheitsbehörde automationsunterstützt verarbeitet. Im Informationsverbundsystem EKIS fand sich in der Erkennungsdienstlichen Evidenz unter anderem die Vormerkung der EDV-Zahl, der AFIS-Zahl (mit Hilfe dieser Zahl können entsprechend befugte Personen grafische, bildliche Daten zu den Fingerabdrücken für Identifizierungs- und Vergleichszwecke abfragen), eine Personenbeschreibung, Angaben zum Tatverdacht sowie die Daten zur durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung. Ein richterlicher Haftbefehl war während der gesamten Amtshandlung nicht vorgelegen, eine Verhaftung nicht ausgesprochen worden.


Beschwerdeverfahren

Der Betroffene brachte in einer Beschwerde an die DSK vor, im Rahmen der Amtshandlung rechtswidrig erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein. Auch sei das Abverlangen erkennungsdienstlicher Daten durch die Exekutivbeamten rechtswidrig gewesen. Der Beschwerdeführer beantragte, die erkennungsdienstliche Behandlung und die Speicherung der so erhobenen Daten für rechtswidrig zu erklären.

Die DSK wies die Beschwerde als unbegründet ab. Die Voraussetzungen für die erkennungsdienstlichen Behandlung seien auf Grund des Verdachtes des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG vorgelegen, zumal der Beschwerdeführer bei seiner Wiedereinreise nach Österreich anlässlich einer PKW-Kontrolle angehalten worden sei und somit auch im Verdacht gestanden habe, Suchtmittel eingeführt zu haben. Die Art des Deliktes (Einfuhr eines Suchtmittels) sei ausreichender Grund für die Ansicht der Sicherheitsbehörde, dass eine erkennungsdienstliche Maßnahme zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich ist. Erweise sich diese Annahme später als nicht gerechtfertigt, so sei die Frage nach der Löschung der Daten zu stellen, die Rechtmäßigkeit der Ermittlung der erkennungsdienstlichen Daten werde dadurch nicht berührt.
   
Gegen diesen Bescheid der DSK erhob der Betroffene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.


Entscheidung des VwGH

Der Verwaltungsgerichtshof verweist in seiner Entscheidung darauf, dass für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG eine konkrete fallbezogene Prognose erforderlich ist, wobei sich die Behörde mit den Einzelheiten des jeweiligen Verdachtes, mit der Wahrscheinlichkeit, dass der Verdächtige gefährliche Angriffe begehen werde und mit der Frage einer daraus abzuleitenden "Vorbeugung" auseinandersetzen müsse.

Im vorliegenden Fall hatten sich aber weder die Bezirkshauptmannschaft noch die DSK mit der Frage auseinander gesetzt, ob diese Voraussetzungen gegeben waren. Die durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung wurde durch den VwGH im Sinne des § 65 Abs 1 SPG als nicht zulässig erachtet.

Bei seiner polizeilichen Einvernahme im Rahmen der Amtshandlung hatte der Betroffene angegeben, die geringe Menge an Suchtmittel zwar erworben und eingeführt, diese aber bisher nicht konsumiert zu haben.

Anhaltspunkte für eine Weitergabe des Suchtmittels oder Beschaffungskriminalität jeglicher Art wurden nicht konkretisiert. So wurde in der Folge auch die Anzeige gegen den Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt. Bei dieser Sachlage hätten die Voraussetzungen zur Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung mangels fallbezogener Prognose nicht als gegeben erachtet werden dürfen.
 

Resumee

Erstaunlich ist, dass die DSK trotz höchstgerichtlich geklärter Rechtslage auch in einem derart klaren Fall noch eine rechtswidrige Entscheidung treffen konnte. Irgend ein "Tatverdacht" ist noch nicht ausreichend, um eine erkennungsdienstliche Behandlung des Betroffenen zu rechtfertigen. Es muss eine einzelfallbezogene Beurteilung und Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit gefährlicher Angriffe stattfinden. Dieser Punkt wurde schon vielfach vom VwGH entschieden. Aus diesem Grund erstaunt nur mehr, mit welch Beharrlichkeit die DSK in solchen Fällen an eigenen – rechtswidrigen - Entscheidungen festhält und höchstgerichtliche Rechtsprechung ignoriert.

Archiv --> VwGH Entscheidung 2005/06/0125

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