2007/08/13 Ist eine Sexualstraftäterdatei sinnvoll?
Bereits im Programm der neuen Regierung angekündigt, hat sich nun das Innenministerium auch zeitlich festgelegt: Die sogenannte Sexualstraftäter-Datei soll ab Ende 2008 kommen - die Fragen nach Ziel und Zweck einer Paralleldatei zum Strafregister wagt niemand zu stellen - offenbar soll die Datei Prangerfunktion erfüllen - populistische, aber wenig wirksame Maßnahme - ordentliche gesetzliche Regelung wäre notwendig
Sexualstraftäterdatei
Grundsätzlich soll nach den Plänen des Innenministeriums eine entsprechend zu schaffende Datei eine vollständige Sammlung der personenbezogenen Daten von Sexualstraftätern enthalten. Den Angaben des Innenministeriums zufolge soll die Datei ausschließlich dem behördeninternen Gebrauch dienen, die Daten somit nur den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen. Eine allgemeine Einsichtsmöglichkeit, wie sie etwa in den USA teilweise besteht und auch in Österreich von verschiedenen politischen Kräften gefordert wird, soll nicht angedacht werden.
Viele offene Fragen
Ausgehend von diesen eher spärlichen Ankündigungen von Ministerseite, ergeben sich etliche offene Fragen zu dieser Thematik. So ist fraglich, wie das Ministerium "Sexualstraftäter" definiert, bei welchen konkreten Tatbeständen somit eine Aufnahme in eine solche Datei erfolgen soll. Unter dem Titel "Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit" führt das österreichische Strafgesetzbuch in den §§ 201 ff. zahlreiche Delikte auf. Darunter gehören neben Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch von Unmündigen und pornographischen Darstellungen von Unmündigen auch Delikte wie die gewöhnliche sexuelle Belästigung, die sogenannte "Blutschande" (sexueller Verkehr im Verwandtschaftsverhältnis), die Vornahme "öffentlicher unzüchtiger Handlungen" oder die "Ankündigung zur Herbeiführung unzüchtigen Verkehrs". Auch der frühere "Homoparagraph" § 209 StGB war Teil dieser Delikte gegen die Sittlichkeit. Es stellt sich somit die Frage, ob die Datenverarbeitung tatsächlich sämtliche "Sexualdelikte" betreffen oder sich auf Tatbestände wie Unzucht mit Unmündigen, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung oder Kinderpornographie beschränken soll.
Auch wenn nach den nunmehrigen Ankündigungen nur Verurteilte gemäß "Vergewaltigung, Zuhälterei, Kindesmissbrauchs oder Kinderpornografie" enthalten sein sollen, weckt eine derartige Datei rasch neue begehrlichkeiten, sowohl was die Zugriffsmöglichkeiten betrifft. Zuerst sollen es Jugendfürsorgestelen sein, dann Schulen, Kindergärten, besorgte Eltern und zuletzt alle, da ja das Ziel laut Platter ist, das "sich die Verurteilten beobachtet fühlen sollen".
Speicherdauer
Keine genauen Angaben sind bislang dazu gemacht worden, für welche Dauer eine entsprechende Speicherung aufrecht bleiben soll. Ausgehend von den Angaben des Ministeriums kann allerdings darauf geschlossen werden, dass die Datenspeicherung jedenfalls über die bisherige Tilgungsfrist von Strafverurteilungen hinaus erfolgen soll, möglicherweise sogar lebenslänglich. Anders würde eine derartige Datei aus Behördensicht auch nicht viel Sinn haben, da bis zur Tilgung eines entsprechenden Tatbestandes für den behördeninternen Gebrauch ohnehin in den Strafregister der Betroffenen Einsicht genommen werden kann, eine zusätzliche Datei würde somit bis zur Tilgung im Strafregister bloß eine Doppelgleisigkeit darstellen.
Internationale Erfahrungen mit Sexualstraftäterdateien
Die Erfahrungen in GB und USA zeigen, dass sich kaum entsprechend veranlagte Täter von ihrer Tat durch solche Dateien abhalten lassen. Zum Teil hofft man, einzelne Täter zu finden, die auffällig sind, bevor sie erneut schwere Straftaten begehen. Zahlen über tatsächliche Erfolge gibt es aber bis jetzt nicht.
In Deutschland gibt es gegenwärtig eine ähnliche Diskussion wie in Österreich, dort wurde durch den Innenminister des Bundeslandes Sachsen eine öffentlich zugängliche Datei vorgeschlagen.
Welchen Sinn haben Sexualstraftäterdateien?
Letztlich stellt sich die Frage, welcher Zweck mit einer solchen Datei verfolgt werden soll. Ziel des Ministeriums ist es, laut eigenen Angaben, "zu verhindern, dass einschlägig Vorbestrafte zu Wiederholungstätern werden." Wie das anhand einer solchen Datei gelingen soll, wird allerdings nicht bekanntgegeben. Alleine aufgrund der Tatsache, dass eine Behörde - auch über die Tilgungsfrist hinaus - weiß, dass jemand aufgrund eines Sexualdelikts vorbestraft war, wird man künftige Delikte wohl nicht verhindern können.
Eine durchgehende Überwachung von verurteilten Straftätern wäre schon aus administrativen Gründen nicht möglich. Zu bedenken ist auch, dass der weitaus größte Teil von Sexualstraftaten im Familien- und Bekanntenkreis stattfindet. Ob angedacht ist, auf Basis der Datei auch weitere Maßnahmen zu ermöglichen, etwa Betretungsverbote für vorbestrafte Sexualtäter in Schulnähe, etc.., ist nicht bekannt. Auch hier wäre eine Administration wohl an der Grenze des machbaren und vermutlich auch sinnlos, da Sexualstraftaten ohnehin überall passieren können. Ob entsprechende Daten auch an Gemeinden weitergegeben werden sollen, die dann wüssten, dass bei ihnen verurteilte Sexualstraftäter wohnen, wurde ebenfalls nicht bekanntgegeben. Dann hätte die Datei wohl die Funktion eines modernen, letztlich lebenslangen Prangers.
Gefahren einer solchen Lösung
Die Debatte über die Folgen von sexuellen Straftaten ist begreiflicherweise stark emotionalisiert. Letztlich sollte es aber primär um optimalen Opferschutz gehen und nicht darum, wie man entsprechenden Tätern möglichst lange und effektiv eins auswischen kann. Möglichkeiten, geistig abnorme Sexualstraftäter in entsprechende Anstalten einzuweisen, existieren bereits jetzt. Sofern Straftäter nach entsprechender Haftstrafe entlassen werden, sollte es allerdings in allen Fällen oberstes Ziel sein, die Täter in die Gesellschaft zu integrieren. Statistiken zeigen, dass Resozialisierung jedenfalls die besten Erfolge im Kampf gegen Rückfallstäter darstellt und damit auch den effektivsten Opferschutz. Gerade hier ist fragwürdig, ob eine entsprechende Datei sinnvoll sein kann. Auch wenn keine allgemeine Einsichtsmöglichkeit geplant ist, ist es nicht weit hergeholt, dass künftig- etwa von Arbeitgebern- neben einem Strafregisterauszug auch eine Auskunft aus einer entsprechenden Sexualverbrecherdatei zur Vorlage bei Jobbewerbungen verlangt werden könnte. Letztendlich würde man so Reintegration in die Gesellschaft nicht fördern, sondern verhindern.
Populistische Maßnahme ohne Verbesserung für die Kinder
Unter den Teppich gekehrt hat der famose Innenminister die Tatsache, das der überwiegende Anteil von Sexualtaten, insbesondere geegnüber Kindern im Bekannten- und Verwandtenkreis stattfindet. Oftmals durch Wegschauen aller Verwanten, manchmal sogar durch aktives üebrsehen der kindlichen Warnsignale erleichtert oder sogar durch Eltern oder sonstige Verwandte gefördert. In diesen Kreisen kennt man den Täter, eine zusätzliche Überwachungsdatei bringt hier keinerlei Verbesserung. Im Gegenteil kann ein derartiges Instrument noch die Situation verschlechtern, wenn statt einer Förderung der Zivilcourage alle Beteiligten sich darauf ausreden können, "da gibt es ja eh eine Datei, soll halt die Behörde tätig werden".
Verstärkte Aufklärung, verbesserte Information wie Kindesmissbrauch erkannt werden kann und auch Förderung von Zivilcourage wären wesentlich effikivere und verfassungsrechtlich unbedenkliche Mittel zur Verhinderung von Übergriffen.
Verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit
Vor allem in Hinblick auf Gleichheitsgrundsatz und Sachlichkeitsgebot stellt sich die Frage, ob eine lebenslange Verarbeitung personenbezogener Daten von verurteilten Sexualtätern verfassungsrechtlich zulässig sein kann. Zumindest bräuchte man wohl eine gute Begründung dafür, warum man etwa bei Gewaltdelikten ohne sexuellen Hintergrund, die möglicherweise mit weit höheren Strafen bedroht sind als so manche Delikte gegen die Sittlichkeit, keine über die Tilgungsfrist hinausgehende Datenverarbeitung betreiben will, bei Sexualstraftaten allerdings schon. Dafür wird man wohl umfassender als bis jetzt erklären müssen, welche Zwecke eine Sexualstraftäterdatei verfolgen soll.
Resumee
Die Debatte um Sexualstraftaten ist verständlicherweise stark emotionalisiert und es sollte jedenfalls alles mögliche unternommen werden, um entsprechende Delikte zu verhindern. Ob eine Sexualstraftäterdatei, von der man eigentlich nicht weiß, was sie genau bringen soll, hilfreich ist, ist allerdings eine andere Frage. Insoferne scheint der Schnellschuss aus dem Innenministerium nicht nur verfassungsrechtlich fragwürdig sondern stellt sich auch vor allem die Frage nach Sinn und Zweck einer solchen Datei.
Ordentliche rechtsstaatliche Regelung notwendig
Wäre der Schutz von Kindern tatsächlich das zentrale Anliegen des Innenministers, dann hätte er längst eine ordentliche gesetzliche Regelung vorstellen können. Zum einen ist sachlich nicht nachvollziehbar, warum ein laufend prügelnder Pädagoge oder prügelnde Eltern, die ein Kind schwer verletzen in Zukunft besser behandelt werden sollen, als ein Sexualstraftäter, der möglicherweise noch dazu in einer außergewöhnlichen Situation handelte und bei dem keine Wiederholungsgefahr zu erwarten ist. Gleiches gilt für den schwer alkoholisierten Autofahrer, der in Zukunft Fahrer eines Schulbusses werden will, auch er wäre künftig besser gestellt.
Wenn man schon Berufsverbote für bestimmte Personen und Berufsgruppen andenkt, dann sollte man alle Gefährdungen der Kinder berücksichtigen und auch eine klare gesetzliche Reglung nicht scheuen. Diese Regelung könnte dann vom Verfassungsgerichtshof genaus überprüft werden, wie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Offenbar scheut jedoch der Innenminister rechtsstaatliche Standards und buhlt lieber um populistischen Beifall.
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