2007/05/30 Verdienststrukturerhebung der Statistik Austria bringt unzumutbare Eingriffe in Betroffenenrechte
In den vergangenen Wochen ist zahlreichen österreichischen Unternehmern von der Statistik Austria unvermutet Auskunftsmaterial zur sogenannten "Verdienststrukturerhebung" übersendet worden - Verweigerung ist mit Verwaltungsstrafen bedroht
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat mit 21.3.2007 die sogenannte Verdienstrukturverordnung 2007 erlassen. Anlass dafür ist die Erfüllung österreichischer Verpflichtungen zur Erhebung von Daten zur Verdienststruktur sowie zur Struktur der Arbeitskosten aus entsprechenden EG-Verordnungen. Für die Auskunftspflichtigen bedeutet die Verordnung Arbeitsaufwand, für die betroffenen Personen einen massiven Zugriff auf deren personenbezogene Daten.
Verdienststrukurerhebung
Zielgruppe der Verdienststrukturerhebung sind Unternehmen- unabhängig von deren juristischer Ausgestaltung-, Arbeitsgemeinschaften verschiedener Einzelunternehmer, juristische Personen des öffentlichen Rechts, darunter auch Kirchen und Religionsmitgliedschaften; einzelne Betriebe sowie Vereine nach dem Vereinsgesetz. Die Bemühungen gehen daher in die Richtung, mit der gegenständlichen Erhebung potentielle Arbeitgeber lückenlos und vor allem unabhängig von deren Rechtsform zu erfassen. Die im Rahmen der Verdienststrukturerhebung erfassten Datenmerkmale sind umfangreich. Ziel ist es, die jeweiligen Erhebungsmerkmale der Arbeitgeber (wie etwa Firmenname und -nummer, Geschäftszweig, Steuernummer, etc...) mit den Daten der Beschäftigten zu verknüpfen. Bezüglich der Beschäftigten werden - grob zusammengefasst - Bruttoeinkommen in verschiedensten Ausformungen, Normalarbeitszeit, Art des Arbeitsvertrages, Bildungsabschluss erhoben. Hinzukommen die "soziale Stellung" und das Geschlecht. Voll erhoben werden weiters Vorname und Sozialversicherungsnummer der betroffenen Personen, der Familienname wird nur mit den ersten beiden Buchstaben verarbeitet.
Art der Erhebung
Grundsätzlich werden zur Durchführung der Erhebung mittels Stichprobe Unternehmen ausgesucht, die dann entsprechend angeschrieben werden. Nicht alle begehrten Daten werden aber direkt vom Arbeitgeber ermittelt. Bezüglich der Unternehmensdaten werden wirtschaftliche und finanzielle Kontrolle des Unternehmens, Geltung von Kollektivverträgen für die Mehrheit der Beschäftigten sowie die Art des wichtigsten Kollektivvertrages direkt beim Arbeitgeber abgefragt. Bezüglich der Beschäftigtendaten richtet sich die direkte Befragung auf das Datum des ersten Eintritts in das Unternehmen, Art des Arbeitsvertrags, Normalarbeitszeit, vertraglich vereinbarte Arbeitszeit, Bruttobezug für den Berichtsmonat insgesamt, Bruttobezug für Mehrstunden im Berichtsmonat, Bruttobezug für Überstunden im Berichtsmonat, Zuschläge für Nacht-,Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Berichtsmonat, Zahl der bezahlten Arbeitsstunden im Berichtsmonat, Zahl der Mehrstunden im Berichtsmonat, Zahl der Überstunden im Berichtsmonat sowie der im Berichtsjahr entstandener Urlaubsanspruch in Wochen.
Die übrigen Daten werden seitens der Statistik Austria aus dem Firmenregister, von Sozialversicherungsträgern, Finanzbehörden sowie aus dem unerschöpflichen Reservoir des Bildungsstandsregisters ermittelt. Seitens der mit Stichprobe ermittelten Unternehmen, die zur Befragung herangezogen werden, herrscht Auskunftspflicht. Eine Nichtteilnahme bedeutet einen verwaltungsrechtlichen Verstoß, der nach dem Bundesstatistikgesetz mit einer Geldstrafe bis zu 2 180 Euro geahndet werden kann.
Grundsätzliche Kritik
Kritik an der Vorgehensweise zur Verdienststrukturerhebung hat bei verschiedenen Teilaspekten anzusetzen. Zunächst ist überhaupt nicht klar, für welchen Zweck die Erhebung eigentlich durchgeführt wird. Es ist darauf zu verweisen, dass letztendlich massenweise, personenbezogene Daten erhoben werden, ohne dass klar ist, warum dies geschieht bzw. für welchen Zweck die Daten letztendlich benötigt werden. Die zugrundeliegende EG-Verordnung führt wissenschaftliche und arbeitsmarktpolitische Ziele ins Treffen, genauere Betrachtungen dazu bleiben aber weitgehend aus.
Keine Anonymisierung in Österreich
Eine Anonymisierung der erhobenen Daten findet faktisch nicht statt. Dass der Familienname der Betroffenen nur mit zwei Anfangsbuchstaben abgekürzt verarbeitet wird, ist angesichts der vollständigen Erhebung von Vornamen und Sozialversicherungsnummer reine datenschutzrechtliche Makulatur. Gerade hier ist zu fragen, warum diese Daten eigentlich benötigt werden. Wenn es nur um statistische Erhebungen zum Bevölkerungseinkommen geht, kann eine Verknüpfung der Einkommensdaten mit Ausbildungsdaten, Betriebszweig, Art des Arbeitsvertrages, Geschlecht des Betroffenen, etc... durchaus Aufschlüsse bringen. Eine Verknüpfung mit Sozialversicherungsnummer und Vornamen ist hingegen aus wissenschaftlicher Sicht natürlich sinnlos und wohl auch nicht geplant und birgt lediglich das Risiko der Rückführbarkeit der verarbeiteten Daten auf die betroffene Person mit sich. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die zugrundeliegende EG-Verordnung 530/1999 jedenfalls nicht vorschreibt, dass die entsprechenden Daten zusammen mit personenbezogenen Identifikationsmerkmalen erhoben werden müssen.
Erhebung unsinniger Merkmale - Auskunftspflicht
Die Erhebung einer "sozialen Stellung" anhand der Berufsbezeichnungen Beamter, Arbeiter, etc ist aus wissenschaftlicher Sicht ebenfalls entbehrlich und weckt eher Erinnerungen an den Ständestaat als an moderne, wissenschaftliche Methoden. Aus den zugrundeliegenden europarechtlichen Normen lässt sich eine Verpflichtung zur Erhebung der "sozialen Stellung" der Betroffenen jedenfalls nicht entnehmen, es dürfte sich daher - einmal mehr - um ein österreichisches Kuriosum handeln.
Dass Betroffene nicht informiert bzw. Auskunftspflichtige zur Zwangsteilnahme verdonnert werden, ist bei Erhebungen der Statistik Austria leider ohnedies übliche Vorgehensweise. Festzuhalten ist dazu, dass die EG-Verordnung lediglich davon spricht, dass die Teilnahme an der Erhebung mit geeigneten Maßnahmen gewährleistet werden muss. Das bedeutet somit aber noch nicht zwingend, dass die verwaltungsstrafrechtliche Keule ausgepackt werden muss, um den Teilnehmern im Falle non- konformen Verhaltens mit finanziellen Sanktionen zu drohen.
Unbefristete Speicherdauer-Zugriff auf Bildungsstandsregister
Bezüglich der Speicherdauer der erhobenen Daten ist darauf zu verweisen, dass dafür keinerlei Regelungen vorgesehen sind, somit eine unbefristete Datenspeicherung erfolgt.
Im Zusammenhang mit der Ermittlung von Daten aus dem sogenannten Bildungsstandsregister ist darauf zu verweisen, dass die Daten der Bildungsdokumentation offensichtlich keineswegs nur dazu dienen, anonyme Statistiken über die Ausbildung zu erstellen, sondern jedenfalls auch dazu, im Zusammenhang mit personenbezogenen Merkmalen wie der Sozialversicherungsnummer und dem Namen von Betroffenen verarbeitet zu werden. Eine im Rahmen der Bildungsdokumentation vorgenommene Verschlüsselung kann, wie sich hier zeigt, durch die Statistik Austria problemlos wieder aufgehoben werden
Verweigerung ist mit Verwaltungsstrafen bedroht
Auch wenn die Verweigerung nach dem Statistikgesetz mit hohen Geldstrafen bedroht ist, macht eine Ablehung der Teilnahme durch die Unternehmen durchaus Sinn. Üblicherweise werden keine aufwändigen Verwaltungsverfahren losgetreten, die bloß die Erhebungsergebnisse verzögern und unbrauchbar machen würden, sondern die Statistik Austria scheidet den "widerspenstigen" Probanden aus und sucht sich ein neues "Opfer" für die Erhebungen.
Fazit
Erfüllung europarechtlicher Verpflichtungen durch Datenerhebung zu wissenschaftlichen Zwecken ist nicht grundsätzlich abzulehnen. Es sollte aber gewährleistet werden, dass Betroffene zumindest über die Erhebung ihrer Daten informiert werden.
Dass die betreffenden Daten in personenbezogener Form erhoben werden, ist unsinnig, stattdessen sollten die bezeichneten Merkmale jedenfalls ohne Sozialversicherungsnummer, Vornamen und Teile des Familiennamens erhoben werden, um eine richtige Anonymisierung durchzuführen. Klarere Zweckbestimmungen wären bei solchen Erhebungen ebenso wünschenswert wie zeitliche Begrenzungen bezüglich der Speicherdauer. Die ständige Drohung mit finanziellen Sanktionen ist bei wissenschaftlichen Erhebungen überdies entbehrlich, da bei einer sinnvollen Durchführung solcher Erhebungen in vielen Fällen ohnedies grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme vorhanden sein wird.
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