2006/06/22 Die neuen Postkästen verletzen Datenschutz und Privatsphäre
Der VfGH hat die mit der Postgesetznovelle 2003 eingeführte Verpflichtung, dass Hauseigentümer neue Hausbriefkästen auf eigene Kosten errichten müssen für verfassungswidrig erklärt - der Stichtag für die Umrüstung, 1. Juli 2006 ist hinfällig - auch aus Datenschutzsicht sind die neuen Briefkästen äußerst problematisch
Verpflichtung zur Errichtung neuer Hausbrieffach-Anlagen verfassungswidrig
Bei der ARGE DATEN häufen sich die Beschwerden, dass bei bereits neu installierten Briefkästen der Datenschutz massiv gefährdet sei, da letztere so große Einwurfsöffnungen aufweisen, dass jedermann sehr leicht Post daraus entnehmen kann. Betroffene Hausverwaltungen rechtfertigen sich bzgl. der Umrüstung damit, dass ihnen dies durch die Postgesetznovelle aufgetragen wurde.
Mit 25. April 2006 VfGH G 100/05-14 wurde die relevante gesetzliche Bestimmung zur Umrüstung aufgehoben, sodass weiterhin die alt bewährten, verschlossenen Briefkästen verwendet werden können.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist durch die neuen Briefkästen, aufgrund der großen Einwurfsöffnungen insbesondere das Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gefährdet, da die Post leicht herausgefischt werden kann.
Nach § 1 Abs 1 DSG hat jedermann das Recht auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten, sofern er daran ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse hat, daher kann es vor allem durch den Versender von Post zu Datenschutzverletzungen kommen, wenn er davon Kenntnis hat, dass die Post beim Empfänger für Unberechtigte leicht zugänglich ist.
Leichter Zugriff auf sensible Dokumente
Besonders gravierend ist dieses Problem im Zusammenhang mit sensiblen Daten (zB. Gesundheitsdaten, politische Gesinnung, Gewerkschaftszugehörigkeit) da hier der Gesetzgeber ein erhöhtes Schutzbedürfnis vorsieht und nur bei im Gesetz taxativ aufgezählten 13 Fällen in das Grundrecht eingegriffen werden darf. Werden beispielsweise medizinische Befunde oder Mitteilungen der politischen Partei für jedermann leicht zugänglich gemacht, so stellt dies jedenfalls eine Datenschutzverletzung dar. Die DSK hat in einer Entscheidung bereits festgestellt, dass bereits das Anbringen des Geburtsdatums am Briefumschlag, eine Datenschutzverletzung darstellen kann.
Viele Unternehmen, allen voran Banken und Kreditkartenunternehmen verschicken Kreditkarten oder Telebanking-Zugangscodes als gewöhnliche Briefe. Diese können nunmehr noch leichter als bisher abgefangen werden. Nun können Karten und Codes, sofern der Empfänger die fehlende Zustellung rechtzeitig bemerkt, wieder gesperrt werden, der Schaden kann somit gering gehalten werden. Aber auch der amtliche Personalausweis wird als gewöhnliche Post verschickt. Mit abgefangenen Personalausweisen könnte dann leicht ein schwungvoller Handel betrieben werden. Zu den kleinen, eher unscharfen schwarz-weiß-Fotos lassen sich schnell interessierte, ähnlich aussehende Abnehmer finden, das mühsame Fälschen der "fälschungssicheren" Ausweise kann daher unterbleiben. Ein Widerruf der Gültigkeit dieser Dokumente bzw. ein Sperren ist praktisch nicht möglich.
Aber auch persönliche Alltagspost könnte von neugierigen Nachbarn leichter als bisher beschafft werden. Mit Arztbriefen, Rechnungen, persönlichen Briefen usw. kann man sich rasch einen ordentlichen öœberblick über persönliche Lebensverhältnisse verschaffen. Auch wer mit wem zusammen lebt.
Schleppende DSK-Ombudsmann-Verfahren
Betroffene können Datenschutzverletzungen sofern sie von Privaten erfolgen vor den Zivilgerichten geltend machen, was jedoch mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden ist, da Anwaltszwang besteht. Im Fall der Hausbriefkästen ein geradezu hoffnungsloses Unterfangen, da ja zuerst eine Verletzung der Privatsphäre passieren msste, um dann deren Unterlassung einzuklagen.
Es gibt jedoch auch die Möglichkeit sich an die Datenschutzkommission in ihrer Funktion als Ombudsmann zu wenden. Letztere kann im privaten Bereich zwar keine Datenschutzverletzungen förmlich durch Bescheid feststellen (die DSK ist nur im Bereich der Hoheitsverwaltung dafür zuständig), jedoch kann sie Empfehlungen zur Beseitigung von Datenschutzverletzungen herausgeben. Sie könnte daher auch schon bei Datenschutzgefährdungen Empfehlungen zur Vermeidung möglicher Datenschutzverletzungen ausgeben. Dies auch zu einem Zeitpunkt, da einzelne Datenschutzverletzungen noch gar nicht stattgefunden haben. Die Bedeutung dieser Empfehlungen ist nicht zu unterschätzen, da sich auch Höchstgerichte in ihrer Rechtssprechung immer wieder auf solche Empfehlungen beziehen.
Das kostenlose Ombudsmann-Verfahren sollte vom geschäftsführenden Mitglied der Datenschutzkommission wahrgenommen werden, leider werden diese Verfahren sehr schleppend bearbeitet, was klar dem Grundgedanken eines Ombudsmannes widerspricht. Beispielsweise waren laut Datenschutzbericht 2005 zum Stichtag 30.6.2005 bei jährlichen ca. 50 Anträgen an den Ombudsmann, 67 Anträge in Bearbeitung, davon 29 Anträge älter als 6 Monate.
Politik gefordert
Da mit der VfGH-Entscheidung die Verpflichtung zur Anbringung der Hausbriefkästen sowieso gekippt wurde, sollte in einem neuen Anlauf sowohl eine gesetzeskonforme Hausbriefkasten-Regelung geschaffen werden, als auch die technische Ausstattung der Kästen in einer Form erfolgen, die die Grundrechte der Privatsphäre und des Datenschutzes sichert.
Sollte dazu keine Bereitschaft von Seiten der Postzustelldienste bestehen, dann könnte man ja auf das alt bewährte Zustellverfahren an jede einzelne Wohnungstür zurückkehren. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, ist ja diese Methode besonders personalintensiv und sollte daher auch die Hardliner bei den Postzustelldiensten zum Umdenken bewegen.
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