2004/10/19 Altersjubilare - Nicht immer Grund zur Freude
Stadtgemeinde Mödling veröffentlicht weiterhin ungefragt Personendaten - Manche Gemeinde- und Kirchenblätter ignorieren Recht auf Privatsphäre - Offizielle Praxis in den meisten Bundesländern datenschutzkonform - Nur Niederösterreich ist anders
Stadtgemeinde Mödling veröffentlicht weiterhin ungefragt Personendaten
Schon mehrmals hatte die ARGE DATEN in der Vergangenheit die Veröffentlichung von privaten Ereignissen ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen kritisiert. Seien es Schulergebnisse (Stadtgemeinde Villach), Kirchenaustritte (mehrere katholische und evangelische Zeitungen), Trauungen, Taufen oder Altersjubiläen.
Oft wird nicht bloß der Name und das "freudige" Ereignis veröffentlicht, sondern in vielen Fällen auch das genaue Geburtsdatum oder die genaue Wohnadresse. Ideal für Keiler, Hausierer und Betrüger diese Personen zum freudigen Anlass zu kontaktieren und auch gleich zu überrumpeln.
In vielen Fällen reagierten die angesprochenen Zeitungsherausgeber positiv und sagten zumindest für die Zukunft eine datenschutzkonforme Veröffentlichungspraxis zu. Vielen war nicht bewusst welches Unheil angerichtet werden konnte, wenn eine 90ig-jährige alleinstehende Dame aufgrund dieser Einschaltung plötzlich einen "langvermissten Neffen" vor der Tür stehen hat (um nur das beliebteste Szenario der Trickbetrüger zu nennen).
Innenministerium gefordert
Herrn Bundesminister Strasser, dem die Sicherheit der Bevölkerung ein Anliegen sein müsste, könnte hier - ohne große Kostenaufwendungen - leicht präventive Schutzmaßnahmen setzen. Es wäre ausreichend die Herausgeber derartiger Zeitungen ausdrücklich auf die Rechtslage hinzuweisen und sie über die Gefahrenpotentiale derartiger Veröffentlichungen aufzuklären. Gegen unbelehrbare Herausgeber gäbe es das Instrument der Anzeige nach §52 DSG 2000. Zuständig ist die örtliche Bezirksverwaltungsbehörde.
Veröffentlichungspraxis in den Bundesländern
Nachdem in den "Mödlinger Stadtnachrichten" (Nr.06/04, Seite 8) unter der Rubrik "Wir gratulieren!" Jubilare samt Angabe ihres Namens, des Alters und ihrer genauen Adresse veröffentlicht wurden, wurde in allen Bundesländern die gesetzliche Grundlage solcher Veröffentlichungen recherchiert.
Für Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich und das Burgenland gilt das DSG 2000. Alle Behörden gaben an, demnach auch bei Veröffentlichungen die Zustimmung der Betroffenen einzuholen beziehungsweise erst auf Antrag der Betroffenen zu handeln. Auf die Frage hin, ob die Betroffenen vor Veröffentlichung um ihre Zustimmung gebeten würden, antworteten alle Personen, diesbezüglich müsse man sich an die Bezirksblätter wenden.
"Resignierend der Kommentar aus dem Burgenland, man könne sich nicht vorstellen, dass die Zeitungen "da lange nachfragen" würden.
Tirol, Kärnten und Steiermark reagierten ausweichend, in Wien erfolgen die Veröffentlichungen derartiger "freudiger Ereignisse" nur mit Zustimmung der Betroffenen.
Sonderweg Niederösterreich
In Niederösterreich gilt diesbezüglich das NÖEhrungsG, nach welchem die Gemeinden an der Ehrung ihrer Mitglieder mitzuwirken haben. Gem § 5 sind Land und Gemeinden dabei berechtigt, "Ehrungen selbst zu verlautbaren oder für eine Verlautbarung durch andere zu sorgen, sofern sich nicht die geehrten Personen dagegen schriftlich ausgesprochen haben".
Eine gesetzliche Grundlage, die offensichtlich der EG-Richtlinie Datenschutz widerspricht. Hier wäre die Datenschutzkommission aufgefordert, die Niederösterreichische Landesregierung über die strengen EU-Bestimmungen aufzuklären, ansonsten müsste vor der EU ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden.
Gereizt reagierte die Mödlinger Pressestelle. Man veröffentliche die Daten der Leute, die auch geehrt worden seien. Offenbar automatisch und ohne Zustimmung der Betroffenen.
Veröffentlichung von Jubiläen - Wissen
Gemäß EG-Richtlinie Datenschutz sind alle personenbezogenen Daten schutzwürdig, im DSG 2000 §1 wird diese Schutzwürdigkeit - wenngleich unvollständig - verfassungsrechtlich verankert. Der Schutz darf nur durchbrochen werden, wenn Betroffene der Verwendung (Veröffentlichung) ihrer Daten zustimmen, Gesetze die wesentlich für die Funktionsfähigkeit des Staates sind oder aus überwiegenden berechtigten Interessen Dritter (dies muss jedoch in jedem Einzelfall abgewogen und begründet werden).
Zeitungen, die meinen, über freudige Ereignisse berichten zu müssen, müssen auf jeden Fall die Zustimmung der Betroffenen einholen, sollten jedoch - schon aus sicherheitspräventiven Maßnahmen - niemals eine genaue Adresse oder das genaue Geburtsdatum veröffentlichen.
mehr --> Gemeinde Villach gratuliert zum Schulerfolg
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