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1990/12/31 Wahlwerbung. Oder: Wir brauchen Euer Geld und Eure Daten!
DIR Szene 1: Sozialversicherungsnummer - illegal an den ÖGB
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Szene 1: Sozialversicherungsnummer - illegal an den ÖGB

Wir wollen die Geschichte nicht wiederholen (siehe DIR Juni 1990), fest steht: Anläßlich der AK-Wahlen erhielt der ÖGB regelmäßig alle Daten aller Arbeitnehmer. Von der AK, frei Haus. Inklusive aller Betriebsdaten und auch der Sozialversicherungsnummer.

Die Datenschutzkommission hat nun festgestellt, daß diese Datenweitergabe keine rechtliche Grundlage hat. Mehr noch: Auch die Arbeiterkammer Wien hat die Sozialversicherungsnummer illegalerweise von der Wiener Gebietskrankenkasse erhalten.

Noch ohne Regelung bleibt die ärgerliche Tatsache, daß die AK überhaupt regelmäßig die Daten aller Arbeitnehmer von den Sozialversicherungen erhält und diese Daten an den ÖGB weitergeben darf. Als erster Schritt zur Befreiung von der allmächtigen Umschlingung durch die Kammern müßten diese"Datenautobahnen" zwischen den österreichischen Großinstitutionen abgeschafft werden.

Ein Betroffener hat zum Thema Datenweitergabe an den ÖGB eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht. Wir werden darüber bei Entscheidung berichten.

Szene 2: Gemeinderatswahl in Vorarlberg

Es ist modern geworden. Statt der persönlicher Ansprache kommt der "persönlich" gehaltene Computerbrief, modernistisch Direct-Mailing genannt.

Die Parteien möchten persönlich sein, wissen aber doch nicht, wer angesprochen wird. Zu nah möchte man dem Wählervolk auch nicht kommen. Das Ergebnis: Lächerlich- bis ärgerlich-zudringliche Leerphrasen werden auf den Betroffenen losgelassen. Dazu ein Zitat:

Der scheidende Bürgermeister Dr. LINDER schreibt: Sehr geehrter Herr H. ... Mir liegt Rankweil sehr am Herzen: daher ist mein Wunschkandidat Hans Kohler, dem wir volles Vertrauen schenken können. [Hervorhebung durch die Redaktion]

Das alles verbindende "wir" stellt einen prersönlichen Bezug zwischen dem Bürgermeister und dem einfachen Bürger P.(*) her, sozusagen von Mann zu Mann. Um die Zudringlichkeit noch zu unterstreichen und auch zu dokumentieren, daß es sich hier wirklich um einen persönlichen Brief handelt, derSchlußsatz: Hans Kohler ist also ein Mann, dem man vertrauen kann und für den ich mich als Nachfolger voll einsetze. Deshalb bitte ich Sie, sehr geehrter Herr P.(*)....., ihn bei der kommenden Gemeindevertretungswahl zu unterstützten.

Resümee zur Rankweiler Gemeinderatswahl (sie darf als symptomatisch für jede dieser undurchsichtigen Datenweitergaben gelten):

1) Alle Parteien erhalten die Wählerdaten.

2) Der eingangs zitierte Bürgermeisterbrief enthält gar keine DVR-Nummer. Damit ist unklar wer dieses Schreiben veranlaßte und letztlich finanzierte.

3) Die ÖVP gibt bei ihren Aussendungen die DVR-Nummer der ÖVP Vorarlberg an.

4) Die SPÖ gibt die DVR-Nummer der SPÖ Österreich an.

5) Die FPÖ gibt die DVR-Nummer der Gemeinde RANKWEIL an. Soll damit die besondere Verbundenheit zwischen Partei und Verwaltung dokumentiert werden?

Szene 3: Junge ÖVP - Verwirrt über die Herkunft von Daten

Im Zuge des Landtagswahlkampfes 1989 erhält Herr K.(*) eine Zuschrift der Jungen ÖVP. Adresse gedruckt mit Matrixdrucker, keine DVR-Nummer vorhanden.

Eine Anfrage bei der JVP fördert erstaunliches zu Tage: Seine Daten seien überhaupt nicht gespeichert, alles sei ein Irrtum und seine Adresse mit Schreibmaschine geschrieben.

Aus dieser Antwort wird klar, wie das Wahlvolk eingeschätzt wird. Herr K. traut man offensichtlich nicht zu einen Matrixdrucker von Schreibmaschinenlettern unterscheiden zu können.

Es kommt zu einer Anzeige gegen Manfred VALLASTER von der JVP. Nur die Immunität (VALLASTER sitzt mittlerweile im Vorarlberger Landtag) schützt ihn vor Strafverfolgung.

Kommentar der JVP: Die Gemeinden seien schuld, die hätten die Wählerdaten zur Verfügung gestellt. Unausgesprochener Nachsatz: Und damit die arme JVP zur irreführenden Verwendung der Daten verleitet.

Szene 4: ököSOZIALeDATEN

Josef Riegler weiß Bescheid über seine (potentiellen) Wähler: "Meine Kinder Martina und Klemens sind jetzt 22 und 20 Jahre alt. So wie Sie werden auch meine Kinder heuer zum ersten Mal wahlberechtigt sein. So wie Sie beobachten die beiden die Politik in unserem Land sehr kritisch und machen sichGedanken über die Zukunft. ..." Das ist der Beginn eines Briefs, den der Adressenverlag SUPPAN im Auftrag der ÖVP an die österreichischen Jungwähler verschickte. Die dazu verwendeten Daten stammen aus der Wählerevidenz des Innenministeriums.

Bei den Pensionisten klingt das etwas anders. Zielgerecht wird weniger Zukunft, dafür umso mehr Vergangenheit beschworen: "Wir haben Österreich aufgebaut" mit vergilbten Fotos von Raab und Figl samt Staatsvertrag soll sentimentale Erinnerungen an die einst neugewonnene Unabhängigkeit bei denAltwählern wecken - vielleicht bald nur Erinnerung bei einer Partei, die zukünftige EG-Abhängigkeit nicht scheut.

Auf eine Datenschutzanfrage reagierte die ÖVP sehr überraschend: Josef Riegler persönlich bedankte sich "für Ihren freundlichen Brief vom 4. April 1990". Er habe das Schreiben an einen Mitarbeiter weitergeleitet. Auch eine Wahlkampf-Pflichtübung ist in Rieglers Brief enthalten: "Seien Sieversichert, daß die ÖVP, die maßgeblich am Entstehen des jetztigen Datenschutzgesetzes beteiligt war, in ihrem Bereich alle entsprechenden Normen präzise einhält."

Der "zuständige Mitarbeiter" beweist jedoch das Gegenteil: Zuerst einmal streitet er glattweg ab, daß die ÖVP oder die Firma SUPPAN im Zusammenhang mit der Wahlwerbung Datenverarbeiter im Sinne des Datenschutzgesetzes sind. Dann verwechselt er die Begriffe "übermitteln" und "überlassen". Nach seinerDarstellung würde die ÖVP im Auftrag des Innenministeriums arbeiten. Es bleibt nicht bei diesen Unklarheiten.

Nachdem die ÖVP ausführlich auf die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes hingewiesen wurde, schrieb sie: "Offensichtlich ist ihnen hier ein Mißverständnis passiert." Der folgende Text ist ebenso unklar, wie das erste Schreiben, aber immerhin ist ein Auszug aus der verwendeten Datei beigelegt. Diedarin auftauchende Nummer (063048841746008) konnte die ÖVP noch immer nicht aufklären.

Da die Unklarheiten beim Datenschutz anscheinend bei der ÖVP bestehen, wurde in einem anderen Auskunftsersuchen gleich gar keine Auskunft erteilt. Nach Meinung des Betroffenen ein Rechtsbruch. Er reichte beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Klage nach DSG ein.

Szene 5: SPÖ - gelöscht und doch voll informiert

Im Zuge einer Datenschutzanfrage aus dem Jahr 1987 hatte Herr Z.(*) genug von den "Informationen" der SPÖ. Er ersuchte um Löschung seiner Daten. Seit 7.2.1988 sind seine Daten "gelöscht". Dies dürfte aber etliche Teilbereiche der SPÖ nicht sonderlich stören. Regelmäßig (auch außerhalb derWahlzeiten) erhält Z. Zusendungen mit der DVR-Nummer der SPÖ.

Szene 6: Die GRÜNEN - sehr grün im Direct-Mail-Geschäft

Als parlamentarischer Neuling ließ sich die GRÜNE ALTERNATIVE von der ungeheuren Datenmenge der Wählerevidenz verlocken: "Wenn wir schon die Daten bekommen, dann verwenden wir sie auch" - nämlich zur recht ungezielten Beglückung von Wählern aller Couleurs mit Spendenbriefen.

Da die GRÜNEN aber noch weniger als die anderen Parteien über geeignete EDV-Ressourcen sowie über qualifiziertes Fachpersonal verfügten (die ÖVP hat wenigstens Wahlhochrechner Professor Bruckmann), griffen sie dankend zu, als ein "SAZ-marketing Service" seine Dienste anbot.

Diese Firma, mit Hauptsitz in der Bundesrepublik, erwies sich als winziger, aber aggressiver Newcomer am heimischen Datenmarkt. Als Hecht - besser Piranha - im Teich der trägen Karpfen Österreichs gelang es ihr innerhalb von zwei Jahren, einen bemerkenswerten Teil des österreichischenSpenden"marktes" von den Etablierten abzuknabbern, wobei neben einigen kleineren Hilfsvereinen für Behinderte und Waisen besonders der Sektor der Grün&Umweltorganisationen zum Ziel der Auftragsakquisition wurde. Die mangelnde Professionalität bei manchen dieser Vereine, zusammen mit oft nur geringerkaufmännischer Erfahrung, kam dem Branchenneuling durchaus zupaß, konnte doch der Trumpf "spezialisierter Beratung" voll ausgespielt werden.

Eines hat die SAZ in Wien allerdings mit den GRÜNEN gemeinsam: auch sie besitzt keine eigenständige EDV-Anlage. Die datenschutzrechtlich umstrittene und von EDV-Technikern belächelte Lösung: die Daten werden entweder auf Bändern per Post oder per DATEX-Leitung nach Hannover, zum Hauptsitz der Firmaübermittelt. Der österreichischen Wählerevidenz erging es, mit Billigung der GRÜNEN, nicht anders. Und will der Auftraggeber Einsicht in seine eigenen Daten nehmen, darf er erstmal in Hannover anrufen ...

Versand und Erfassung, zum Teil auch Listbroking, läuft über Subaufträge an die hiesigen Platzhirsche, allen voran SUPPAN. Auch die GRÜNEN staunten nicht schlecht, als ihre Unterschriftenlisten dort auftauchten. Denn oft sind die Auftraggeber völlig ahnungslos, wo ihre Adressen überall landen - dieSAZ hat vorgesorgt: eine Generalvollmacht im Standardvertragsformular für die Spenderdatenverwaltung sichert ihr größtmögliche Freiheit dafür zu. "Um das jeweils günstigste Angebot wählen zu können" - argumentiert man dem Kunden gegenüber.

Pikanterie am Rande: Die ÖVP läßt ihren Werbemüll ebenfalls über SUPPAN in Österreichs Briefkästen entsorgen. Unseren EDV-Fachleuten in der ARGE DATEN fallen dazu einige originelle statistische Fragestellungen ein. Den Marketing-Fachleuten bei SUPPAN möglicherweise auch.

Beginn Kasten

Direct Mail in Grün

Man stelle sich vor, Hainburg wäre wieder aktuell und die GRÜNEN machen ein Mailing mit Erlagschein und Protestpostkarte an Herrn Fremuth.

Man zahlt einen Hunderter, schickt die Postkarte ab und lehnt sich befriedigt zurück, man hat ja für die Au seine Pflicht getan.

Das Mailing war letztlich ein Erfolg für die GRÜNEN: Tausende haben gespendet, die Kosten sind bei weitem herinnen.

In den Kurzmeldungen der Zeitungen wird erwähnt, daß tausende Protestpostkarten bei Verbundchef Fremuth eingegangen sind - der Protest ist sogar öffentlichkeitswirksam.

Ein paar Unbeugsame ketten sich in der Au an die Bäume - und werden von der örtlichen Gendarmerie schnell und gewaltfrei entfernt. Sonst keine besonderen Vorkommnisse.

Fremuth läßt den Protest im Altpapiercontainer entsorgen. Zehntausend Postkarten in der Verbundzentrale machen nicht so viel Ärger wie zehntausend Menschen in der Au.

Die Bäume fallen ....

Ende Kasten

Epilog: Entfilzung und Selbstverwaltung als Ziel

Die ARGE DATEN wendet sich aus prinzipiellen Erwägungen gegen all jene gesetzlichen Ermächtigungen, die es Parteien und Interessensvertretungen erlaubt, sich an Wählerevidenz, Arbeitnehmerdaten, Haushaltslisten etc. quasi taxfrei zu bedienen. Es sei jeder Organisation unbenommen, Daten über jenePersonen, die sie bewerben oder betreuen will, in Eigenverantwortung zu beschaffen, zu verwalten und aktuell zu halten. Abzulehnen ist jedoch, daß die administrativen Organe der österreichischen Verwaltung nebenbei praktisch unentgeltliche Hilfsdienste für partikuläre Interessen leisten, seien dieseauch noch so fest in der österreichischen Realverfassung etabliert.




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