2019/10/30 Post AG: 18 Millionen Euro Datenschutzstrafe - Wirkung zweifelhaft
Datenschutzbehörde verhängt zur Abschreckung "drakonische" Strafe - Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erweist sich als Fehlkonstruktion - Regulierungswut der EU wird zum Förderprogramm für Internet-Riesen - Online-Marketing fest in der Hand von nur zwei US-Konzernen - EU sollte das Internet endlich ernst nehmen
Datenschutzbehörde verhängt zur Abschreckung "drakonische" Strafe
Wie ein Paukenschlag ging die 18 Mio Euro - Strafe der Datenschutzbehörde (DSB) gegen die Post AG durch die Medien. Für österreichische Verhältnisse ein hoher Betrag, international aber durchaus üblich. Spanien (100 Mio Euro) und Frankreich (50 Mio Euro) sind längst in anderen Bereichen.
Post AG versuchte am zusammenbrechenden Werbemarkt mitzunaschen
Verhängt wurde die Strafe für Big Data - Analysen, wie sie im Online-Marketing mittlerweile "State of the Art" sind. Aus diversen Quellen versuchte unter anderem die Post AG zu erraten, welche Parteipräferenzen Personen haben. Diese Pseudofakten wurden dann an Firmen als echte Daten verkauft. Ein absolutes No-Go nach der geltenden DSGVO, bis zu 4% Konzernumsatz als Strafe wären möglich gewesen, die 18 Mio Euro sind hier noch am unteren Rand angesiedelt.
Die Post AG reagierte damit auf einen zusammenbrechenden Werbemarkt. Mittlerweile fallen 42% (47 Mrd Euro) des gesamten EU-Werbeetats allein auf Onlinewerbung, noch vor 6 Jahren waren es bloß 21% (19 Mrd Euro).
Von diesen 47 Mrd Euro fallen rund 80% auf Nicht-EU-Firmen, allein Google und Facebook zusammen schlucken 28 Mrd Euro oder mehr als 25% aller Werbeausgaben in EU-Europa.
Um den Rest streiten mehrere tausend europäische Klein- und Kleinst-Firmen, darunter auch - global gesehen - der Mini-Player Post AG. Tatsächlich ist der Werbemarkt in naher Zukunft für europäische Firmen verloren.
Weitere Märkte werden verloren gehen
Ein ähnlich beunruhigendes Bild bieten weitere Informations-Märkte. Beim Cloud-Service konzentriert sich das Angebot auf Micosoft, Amazon und Cloudflare, bei Onlineshopping auf Amazon, bei Smartphone auf Apple und Google und im Zertifikatsbereich auf Digicert.
Bei der Marktkapitalisierung der größten 60 Internetfirmen liegen US-Unternehmen mit 4.500 Mrd USD und asiatische Firmen mit 1.200 Mrd USD weit vor Europa. Das mit seinen 250 Mrd USD mittlerweile schon von Afrika (100 Mrd USD) bedrängt und wohl in den nächsten 10 Jahren überholt wird.
Fehlkonstruktion Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
Mehr als 15 Jahre hat die EU dem Wachstum der Internet-Riesen taten- und konzeptlos zugesehen, seit einigen Jahren greift eine Regulierungs- und Verbotskultur um sich, die sich bei genauerer Analyse als Förderprogramm der Internet-Riesen entpuppt.
Digitalsteuer, Uploadfilter, ePrivacy, eCommerce-Regulierung und eben auch die DSGVO sind hilflose und falsche Antworten auf die Dynamik der Informationsgesellschaft. Jede neue Regulierung ist von den Riesen - zähneknirschend - leichter umzusetzen, als von Newcomern.
Hohe "Datenschutz-Standards" sollten die Internet-Riesne dazu zwingen europäische Grundwerte einzuhalten. Informationsanbieter sollten mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben und gegenüber den Nutzern transparenter werden.
Übersehen wurde jedoch, dass bei Service, Qualität und Bequemlichkeit Google, Amazon, Facebook und Co ein de-facto-Monopol haben und die Benutzer alle Vereinbarungen zustimmen werden, nur um diese Dienste weiter nutzen zu können. Europäische Start-Ups haben jedoch keine Chance, Kunden vergleichbare Bedingungen aufzuzwingen.
EU sollte das Internet endlich ernst nehmen
Die EU sollte endlich begreifen, dass das Internet eine privatwirtschaftliche Veranstaltung ist, in dem von Organisationen gemeinsam vereinbarte technische Standards den Ton angeben und nicht eine Gesetzgebung, die diesen Standards immer hinterherhinkt.
Im Bereich der Services ist der Zug abgefahren, der Knowhow-Vorsprung im Bereich Big-Data-Analysen ist gegenüber Google und Co mit grundrechtskonformen Mitteln nicht mehr aufzuholen.
Im Bereich der Informations-Infrastruktur kann aber noch erfolgreich eingegriffen werden. Die EU muss Zulassungskriterien für Internet-Services definieren.
Hans G. Zeger, Obmann ARGE DATEN: "Was im Bereich KFZ, Kühlschränke, Eisenbahnen und Autobahnen selbstverständlich ist, sollte auch im Bereich des Internets gelten. Key-Instrumente des Internets sollten im Design europäische Vorgaben beachten müssen."
Aus gutem Grund engagiert sich Google mit dem Browser Chrome, dem Smartphone-Betriebssystem Android und einem eigenen Zertifizierungsdienst in der Internet-Infrastruktur. Geld wird damit keines verdient, aber die Nutzer können besser auf die eigenen Werbeprodukte und Plattformen gelenkt werden.
Key-Instrument Browser
Die Internetbrowser sind das Schlüsselprodukt für den Internet-Konsumenten und damit die Türhüter zur Welt. Nur ein halbes dutzend große Browserprogramme definieren die Sicht auf die Welt, keiner davon wird in Europa hergestellt.
Europa hat strenge Vorgaben bei Bankendienstleistungen geschaffen, unter anderem müssen Dienstleister durch spezielle Internet-Zertifikate ihre Eignung und Seriösität nachweisen. Tatsächlich ist diese Bestimmung wertlos, da die Internetbrowser keinen Unterschied zwischen den qualitativ hochwertigen EU-Zertifikaten und Pseudo-Zertifikaten von US-Herstellern machen.
Das Internet wird derzeit mit Fake-Webseiten geflutet, die hilfesuchende Nutzer Installateurdienste, Aufsperrdienste, Waren und Bankdienste teuer verkaufen, aber nicht liefern. Sie alle können deswegen existieren, weil sie in den Suchmaschinen vorgereiht werden.
Es wäre ein einfaches für die EU Browserhersteller und Suchmaschinenanbieter zu verpflichten Angebote die den europäischen Zertifizierungsstandards entsprechen vorzureihen bzw. hervorzuheben und gleichzeitig bei den anderen Angeboten Warnungen einzublenden.
Die Hersteller würden dies - schon allein um den EU-Markt nicht zu verlieren - wohl rasch akzeptieren, der Spuk mit unseriösen Angeboten würde drastisch zurückgehen.
Abschreckung für wen?
Ob die Strafe gegen die Post AG durch alle Instanzen hält werden wir wohl erst in einigen Jahren wissen. Abschrecken wird die Strafe wohl. Wohl nicht die Internet-Giganten, wohl aber zahlreiche Start-Ups und Unternehmen mit neuen, unausgegorenen Ideen. Lieber bleiben lassen und Zulieferer für Google und Co werden, werden sich viele nach dieser DSB-Entscheidung denken.
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