Keine Meldepflicht für Videoüberwachung im privaten Bereich? Stand: 03.08.2009
Laut DSK Videoüberwachung "im privaten Bereich" generell nicht meldepflichtig - ARGE DATEN sieht darin einen schweren juristischen Fehlgriff - Videoüberwachung zur Verbrechensbekämpfung als rein "private und familiäre Täigkeit"? - Persönlichkeitsrechte unbeteiligter (Besucher, Verwandte, Gäste, Lieferanten) können verletzt werden - Gleichheitswidrige Entscheidung
Steigende Kriminalitäts- und sinkende Aufklärungsraten führen zu einem Boom von Videoüberwachungsanlagen. Wer aufmerksam durch die Straßen geht, kann beobachten, wie die Zahl entsprechender Überwachungsanlagen ständig steigt. Viele davon leider nicht registriert. Nunmehr hat die DSK in einer Entscheidung, bei welcher ein privater Auftraggeber vorbildlicherweise eine Anmeldung durchführte, judiziert, dass dies nicht nötig sei. (K600.064-001/0002-DVR/2009, 8.5.2009)
Videoüberwachung aus Sicherheitsgründen auf Privatgrundstück
Bei der DSK wurde die Videoüberwachung einer, auf einem Grundstück, freistehenden Villa (Einfamiliennutzung) angemeldet. Die Überwachung sollte eine Kamera für das Gebäudinnere und drei für den Außenbereich umfassen. Dabei waren nur Flächen innerhalb des eingefriedeten Grundstückes betroffen. Außerdem waren nur Bildaufnahmen, jedoch keine Tonaufnahmen geplant und die Erfassung der Daten sollte nicht permanent, sondern nur, wenn das Aufnahmegerät Bewegung innerhalb des überwachten Bildausschnittes feststelle erfolgen.
Was die Speicherdauer der Videoaufnahmen betrifft, wurde in der Meldung angegeben, dass in Zeiten der Anwesenheit von Bewohnern im Haus die Speicherdauer so eingestellt sein werde, dass aufgenommene Bilder nach 36 Stunden automatisch überschrieben würden. Sollte das Haus jedoch unbewohnt sein, würden die aufgenommenen Daten jeweils bis zur Rückkehr der Bewohner gespeichert bleiben und erst nach Prüfung, ob ein Anlassfall für die Videoüberwachung während der Abwesenheit der Bewohner eingetreten sei, gelöscht werden.
Alle Personen, die das Grundstück betreten würden von der Videoüberwachung durch entsprechende Tafeln informiert. Inhalt und Aussehen dieser geplanten Tafeln wurden der Datenschutzkommission im Ermittlungsverfahren zur Kenntnis gebracht.
Überwachung aus Sicherheitsmotiven als "persönliche und familiäre Tätigkeit"?
Die DSK beruft sich in ihrer Entscheidung zunächst auf § 17 Abs. 2 Z 4 DSG 2000 in Verbindung mit § 45 DSG, nach welchen Datenanwendungen, die von natürlichen Personen ausschließlich für persönliche und familiäre Tätigkeiten vorgenommen werden, von der Meldepflicht ausgenommen seien. Die elektronische Überwachung zwecks Eigentumsschutz von Örtlichkeiten, die allein den Wohnzwecken des Auftraggebers und seiner Familie dienen und sich ausschließlich auf dem privaten Grundstück des Auftraggebers befinden - zu deren Betreten also außer in Einzelfällen neben dem Auftraggeber und seiner Familie grundsätzlich niemand befugt ist - sei als Datenanwendung für private Zwecke des Verfügungsberechtigten zu werten.
Auch der Umstand, dass bei Videoüberwachung die grundsätzliche Intention bestehe, die ermittelten Bilddaten als Beweismaterial an Dritte (Sicherheitsbehörden, Gerichte etc.) zu übermitteln, hindere die Heranziehung des § 45 DSG 2000 nicht. Da gemäß § 45 Abs. 2 die Weitergabe von auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 ermittelten Daten dann zulässig sei, wenn hierzu eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung bestehe.
Das jedermann zustehende Recht nach § 80 Abs. 1 StPO, Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zu erstatten, wenn er von der Begehung einer strafbaren Handlung - auch z.B. mittels Bildaufzeichnung - Kenntnis erlange, gelte auch für rechtmäßige Auftraggeber einer Videoüberwachung. Die Beigabe von Beweismaterial zur Untermauerung der Anzeige sei von der Ermächtigung des § 80 Abs. 1 StPO als mitumfasst anzusehen.
Aus diesen Gründen gelangte die DSK zum Schluss, die zur Anmeldung gebrachte Videoüberwachung unterliege nicht der Meldepflicht.
Grober Missgriff der DSK
Wer sich mit den Bestimmungen des DSG 2000 und der EU-Datenschutzrichtlinie auch nur einigermaßen auseinander gesetzt hat, kann nur zum Schluss gelangen, dass der DSK mit der zitierten Entscheidung wieder einmal ein juristischer Fehlgriff unterlaufen ist. Zunächst ist festzuhalten, dass sich § 45 DSG 2000 auf die Datenverarbeitungen für "ausschließliche persönliche oder familiäre Tätigkeiten" bezieht. Die EU-Datenschutzrichtlinie nennt dazu etwa private Adresslisten. Um zu erkennen, dass dies mit einer Datenverarbeitung, welche ausschließlichen den Zweck verfolgt Bildaufnahmen von mutmaßlichen Straftätern zu erstellen und deren Verfolgung einzuleiten, nicht vergleichbar ist, muss man wohl kein Jurist sein. Dass der Auftraggeber - wie es die DSK selbst zitiert - ein Interesse hat, "unbehelligt zu wohnen", ist sicherlich unbestritten. Dies macht die gemeldete Videoüberwachung jedoch nicht zu einer rein privaten bzw. familiären Tätigkeit.
Die rechtmäßige Weitergabe von Daten nach § 80 StPO - allgemeines Anzeigerecht - wird zu bejahen sein, wenn etwa im Rahmen einer tatsächlich rein privaten oder familiären Tätigkeit Beweismaterialien hinsichtlich einer Straftat auftauchen. Jedoch macht auch dies eine systematische Videoüberwachung mit dem unbestrittenen Ziel des Schutzes vor Angriffen nicht zu einer privaten bzw. familiären Tätigkeit.
Gefahren der Entscheidung
Um nicht missverstanden zu werden: Die Kritik richtet sich nicht an den Auftraggeber, der seine Liegenschaft videoüberwachen möchte. Natürlich ist es mehr als verständlich, dass in Zeiten steigender Kriminalitäts- und sinkender Aufklärungszahlen Bürger bestrebt sind, private Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dass Videoüberwachung im Privatbereich kein Ersatz für staatliche Präventions- und Aufklärungsarbeit werden darf, ist Linie der ARGE Daten, allerdings nicht Thema des Artikels.
Problem ist schlicht und einfach, dass die DSK in der zitierten Entscheidung gesetzliche Bestimmungen grob missachtet/missinterpretiert hat und damit dem Wildwuchs bei Videoüberwachungen - ohnehin bereits Realität - weiter Tür und Tor öffnet. Dass Videoüberwachungen als "private bzw. familiäre Tätigkeit" aus der Meldepflicht herausgenommen werden, mag der DSK Arbeit ersparen, eröffnet aber insoferne Missbrauchsmöglichkeiten, als sich somit jeder, der überwachen will, darauf berufen wird, er schütze nur das Hausrecht und müsse die Überwachung daher nicht registrieren.
Resumee
Dass der Auftraggeber im hier beschriebenen Fall aufgrund der Umstände - Überwachung ausschließlich privater Flächen, Hinweise, etc. - wohl ein überwiegendes Interesse hatte, wird letztendlich gar nicht bestritten. Es sind aber nicht alle Überwachungen dieser Art so ausgestaltet. Daher bestehen Bedenken, dass hinkünftig noch mehr Videoüberwachungen, die Betroffenenrechte verletzen könnten, unregistriert bleiben. Damit reduziert die DSK zwar ihren eigenen Arbeitsaufwand, allerdings auch den Schutz Betroffener. Weiters wird aufgrund derartiger Entscheidungen klar, das es endlich sinnvoller gesetzlicher Rahmenbedingungen für die Zulässigkeit von Videoüberwachungen bedarf.
Denkt man die Entscheidung zu Ende, wären versteckte Kameras in Wohnungen - etwa wenn sich eifersüchtige Ehepartner gegenseitig auspionieren - nach Ansicht der DSK völlig legitim und genehmigungsfrei. Die Überwachung der Schlafzimmer der Kinder, von Gästen oder auch der Badezimmer wäre zulässig, es kann ja überall etwas passieren. "My Home is my Castle" dachte wohl die DSK. Diesmal aber andersrum, in den eigenen vier Wänden gelten Grundrechte nicht mehr. Ob man sich hier an einem bekannten österreichischen Sklavenhalter mit Bunkerkeller ein Vorbild genommen hat?
Gleichheitswidrige Entscheidung
Insgesamt ist diese Entscheidung auch gleichheitswidrig. Warum sollte das eigene Grundstück eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes, vulgo "Bauer", nicht genehmigungsfrei Videoüberwachung installieren dürfen? Pig-TV quasi. Wird aus der genehmigungsfreien Stadtwohnung ein Betrieb, wenn der Besitzer einmal Arbeit nach Hause nimmt oder seine Wohnung als Homeoffice nutzt und wird die Videoüberwachung dann genehmigungspflichtig? Wie will die DSK das kontrollieren? Und was unterscheidet dann einen gewerblichen Familienbetrieb von einem Homeoffice oder einen Bauernhof? Und warum sollte ein gewerblicher Familienbetrieb Videoaufzeichnungen zu seinem Schutz nur genehmigungspflichtig machen dürfen? Wenn dieser Betrieb genehmigungsfrei überwachen darf, warum nicht alle anderen Betriebe, sofern sie den Schutz der Mitarbeiter garantieren (dafür ist aber die DSK schon per Gesetz nicht zuständig)?
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