2004/01/02 Der Chip in uns Hans G. Zeger
Moderne Informationstechnologien erleichtern weltweite Kommunikation, greifen jedoch verstärkt in unsere Privatsphäre ein und erlauben (grenzenlose) Überwachung.
Seit mehreren Monaten bietet eine deutsche Mobilkom-Firma Eltern die laufende Aufenthaltsüberwachung ihrer Kinder an. Toll für misstrauische Eltern. Mit Beginn 2004 gibt es den EU-weiten Tier-Pass. Eine gute Sache für vielreisende Tierliebhaber. Technisch möglich wurde der Pass durch einen, in den Tieren implantierten Chip. Die Verwechslungsgefahr wird minimiert, die Identitätsprüfung erleichtert.
Verwendet wird derselbe Chip, wie er auf Bankomatkarten und in den SIM-Karten der Handys im Einsatz ist. Auch immer mehr Waren werden mit Chips ausgestattet. RFID (Radio Frequency IDentification) erlaubt es, Warentransport und Lagerhaltung zu automatisieren und zu kontrollieren, zur Diebstahlssicherung ist das System ebenfalls geeignet. Auch außerhalb der Supermärkte könnten die Chips registriert werden, bis zur Mülltonne könnte der Lebenszyklus (Lifecycle) von Waren überwacht werden, inklusive Identifikation von Abfallsündern.
Das eingeschaltene Handy ist ein idealer Bewegungsmelder. Jederzeit kann der Standort festgestellt werden, bis auf 30 Meter genau. In Österreich versuchte ein Betreiber schon vor zwei Jahren diesen Fahndungsdienst anzubieten. Das Projekt wurde nach Intervention der ARGE DATEN abgeblasen.
Doch die Überwachungsmöglichkeiten gehen weiter. Grundsätzlich ist jeder Chip mit winziger Antenne zur unauffälligen Überwachung geeignet. Diese Technologie ist, im Gegensatz zur Gesichts-, Fingerabdruck- und Iris-Erkennung ausgereift, billig und für den Masseneinsatz geeignet.
Apropos Tierchip. Ganz neu ist die Idee nicht, schon vor 15 Jahren hatte ein Sprecher der Chipkarten-Lobby gemeint, um den Verlust medizinischer Daten zu verhindern, sollte den Menschen direkt ein Chip in Oberarm oder Po eingepflanzt werden.
Ob wir uns vor lauter Misstrauen gegenüber den eigenen Kindern, aus medial transportierter Terrorangst oder aus allgemeiner Lebensangst zu überwachungsbedürftigen Objekten machen lassen, liegt zu einem großen Teil in unserer eigenen Verantwortung.
Vielleicht ein guter Vorsatz für 2004. Wir sollten uns mehr mit der Frage auseinandersetzen, wieviel Selbständigkeit wir uns zutrauen und wie stark wir uns durch Überwachungstechnologien in unserer Privatsphäre beschränken lassen.
Die bewußte Ablehnung von Kontrolltechnologien ist heute genauso ein Gebot der Stunde, wie umweltbewußtes Einkaufen. Sonst passiert uns das, was vor mehr als zweihundert Jahren ein US-Präsident formulierte: 'Wer Freiheit durch Sicherheit eintauscht, wird am Ende beides verlieren.'
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