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2010/10/20 Datenschutzkommission ignoriert Auskunftsrecht bei Videoüberwachungen
MMag. Michael Krenn; Stand: 20.10.2010
Als wesentliche Errungenschaft der Neufassung des DSG aus Sicht des Datenschutzes war die ausdrückliche gesetzliche Normierung des Auskunftsanspruchs Betroffener bei Videoüberwachungen (§ 50e DSG) betrachtet worden. Die Datenschutzkommission sieht das anders (K121.605/0014-DSK/2010)

Schon in den vergangenen Jahren sorgten zahlreiche Entscheidungen der DSK für Aufregung, in denen ein Auskunftsrecht Betroffener bei Videoaufzeichnungen strikt abgelehnt worden war. Trotz Gesetzesneufassung verweigert die DSK Betroffenen weiterhin ihre nunmehr klar gefassten gesetzlichen Rechte- dies entgegen DSG und EU-Datenschutzrichtlinie.

Auskunftsbegehren als Anlass

Der Betroffene stellte unter der Ausführung, er sei an einem bestimmten Tage von einer Videoüberwachungsanlage der ÖBB erfasst worden, ein Auskunftsbegehren. Begehrt wurde insbesondere Auskunft über die verarbeiteten Daten, Empfänger oder Empfängerkreise von Übermittlungen, den Zweck der Datenanwendung sowie die Rechtsgrundlagen für die betriebene Datenanwendung. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten gab der Betroffene weiters Bahnhof, Zug- und Wagennummer sowie Einstiegstüre an.  Weiters übersendete  er zur Identifizierung auch ein Foto sowie entsprechende Angaben zur Kleidung, welche er am Tage der Verarbeitung getragen hatte sowie personenbezogene Größenangaben. Die ÖBB reagierte auf das Auskunftsbegehren, indem sie  bekannt gab, dass die Videoüberwachung auf der Grundlage eines bezeichneten Bescheides der DSK erfolge und dem Schutz des Eigentums der ÖBB, von Mitarbeitern und Fahrgästen diene.

ÖBB verweigert Auskunft

Eine inhaltliche Auskunft der Videodaten lehnte die ÖBB mit dem Argument ab, dass in dem genannten Zeitraum keine Auswertungen von Videodaten bei der angeführten Nahverkehrs-Garnitur durchgeführt worden sei und ein Auskunftsrecht im Zusammenhang mit Videodaten nur in denjenigen Fällen bestehe, in denen bereits eine Auswertung der Videoaufzeichnungen vorgenommen worden sei. Der Betroffene erhob daraufhin Beschwerde an die Datenschutzkommission.

§ 50e DSG nur „Ergänzung“?

Die DSK führte in ihrer Entscheidung zunächst aus, dass § 50e Abs. 1 DSG 2000 die Form der Auskunftserteilung ausdrücklich  abweichend von § 26 DSG regle. Auskunft sei - in erster Linie - durch Zurverfügungstellung einer Kopie der Videobildaufzeichnungen über den Auskunftswerber zu erteilen. Aus dem Umstand, dass  § 50e nur Abweichungen von § 26 DSG 2000 regle, sei aber zu schließen, dass keine völlig neue und eigenständige Art der Auskunft geregelt werden solle, sondern das bereits gemäß § 26 DSG 2000 bestehende Auskunftsrecht für aufgezeichnete Bilddaten ergänzt werden solle. Dann, wenn ein Auskunftsanspruch schon gemäß § 26 DSG 2000 bzw. den sonstigen Regelungen des DSG 2000 ausgeschlossen wäre, bestünde auch kein Auskunftsrecht aus aufgezeichneten Bilddaten nach der neuen Bestimmung. Die Datenschutzkommission habe weiters wiederholt ausgeführt, dass solange der Auftraggeber die Videoaufzeichnungen nicht ausgewertet habe, er nicht einmal die nur „bestimmbaren“ Daten der Aufzeichnung kenne, da er regelmäßig von ihnen keine Kenntnis nehmen dürfe, es sei denn, dass ein Auswertungsanlass tatsächlich eingetreten sei, der im Registrierungsverfahren als Fall des Vorliegens eines überwiegenden berechtigten Auswertungsinteresses anerkannt wurde. Der Auftraggeber einer Videoaufzeichnung wisse eben nicht, „zu wessen Person“ Daten gespeichert seien  und stehe dies  im Konflikt zur Auskunftserteilung, da diese eine Durchsuchung der Aufzeichnungen voraussetze, ohne dass ein als „vorrangig“ anerkannte Anlass vorliege.

Videoüberwachung als indirekt personenbezogene Daten ?

Die Datenschutzkommission sei der Auffassung, dass das Bestehen eines Auskunftsrechts aus nicht ausgewerteten Videoaufzeichnungen in gleicher Weise zu beurteilen sei, wie dies § 29 DSG 2000 für indirekt personenbezogene Daten vornimmt:

Videoüberwachung könne eben überhaupt nur dann als datenschutzrechtlich „erträglich“ angesehen werden, wenn gesichert sei,  dass die ermittelten Daten nur ausnahmsweise benutzt und damit im Normalfall der Kenntnisnahme durch den Auftraggeber durch Auswertung der Daten nicht zugänglich gemacht würden. Es bestehe somit ein Verbot der Identifizierung außerhalb des Auswertungsanlassfalls. Hinzu komme, dass die Annahme des Bestehens eines Auskunftsrechts aus nicht ausgewerteten Videoaufzeichnungen die Datenschutzrechte der übrigen Personen, die von der Aufzeichnung betroffen sind, unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Bei einer Auskunft darüber, ob der Auskunftswerber Gegenstand von bestimmten Videoaufzeichnungen sei, komme es zwar nicht notwendig zur Identifizierung aller Personen, die auf den Videobildern zu sehen sind, doch könne es zu Zufallserkennungen und Zufallsfunden kommen.

Da § 50e DSG 2000 keinen weitergehenden Auskunftsanspruch als § 26 DSG 2000 normiere, sondern lediglich die Modalitäten bei der Ausübung des Auskunftsrechts aus Videoüberwachungen näher regle, sehe die Datenschutzkommission keinen Anlass, von ihrer bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Wenn dagegen allenfalls ins Treffen geführt werde, dass diese Rechtsprechung der Datenschutzkommission mit der dem DSG 2000 zugrunde liegenden Richtlinie 95/46/EG nicht vereinbar sei, so werde auf Art. 13 RL verwiesen, wonach die Mitgliedsstaaten Ausnahmen ua. vom Auskunftsrecht iSd Art. 12 RL vorsehen können, die notwendig sind, um die Rechte und Freiheiten anderer Personen zu wahren.

DSK ignoriert Betroffenenrechte

Eingangs ist festzuhalten, dass die ARGE DATEN die Spruchpraxis der DSK zum Auskunftsrecht bei Videoüberwachungen schon vor Inkrafttreten der DSG-Novelle kritisiert hatte. Gemäß § 26 Abs2 DSG 2000 ist eine Auskunft dann nicht zu erteilen, wenn dies zum Schutz des Betroffenen aus besonderen Gründen notwendig ist, es sich um ausschließlich indirekt personenbezogene Daten handelt, wenn überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten entgegenstehen.

Welche überwiegenden Interessen gegen eine Auswertung, ob der Betroffene tatsächlich aufgezeichnet wurde, sprechen, wurde durch die DSK nie thematisiert.  Die behauptete mögliche Verletzung schutzwürdiger Interessen Dritter ist mehr als fragwürdig, da dies - wie die DSK selbst immer wieder festhält - allenfalls durch sogenannte "Zufallsfunde" möglich wäre. Derartiges kann aber auch immer dann auftreten, wenn die Daten aus anderen Gründen als einem Auskunftsbegehren ausgewertet werden müssen. Darüber hinaus ist die Gefahr von „Zufallsfunden“ auch bei Auskunftserteilungen aus konventionellen Datenverarbeitungen nicht auszuschließen und somit kein Spezifikum der Videoüberwachung.

Die Gefahr der "Zufallsermittlungen" und "Zufallsfunde" spricht grundsätzlich gegen die Praxis der Videoaufzeichnung, kann aber nicht als Argument gegen ein Betroffenenrecht verwendet werden. Wenn bei einer bestimmten Form von Datenverarbeitung - sei es eine Videoaufzeichnung oder jede andere Verarbeitung- die Rechte der Betroffenen nicht gewahrt werden können ohne die Rechte anderer Betroffener unverhältnismäßig zu beeinträchtigen, ergibt sich letztendlich nur ein denkbarer Schluss: Dann ist die Verarbeitung eben nicht zulässig.

Neue Bestimmung gewährt Auskunftsrecht eindeutig

Die obig ausgeführten Argumente wurden bereits vor Inkrafttreten der DSG-Novelle gebraucht und haben nach wie vor ihre Berechtigung. Hinzu kommt, dass die neue Gesetzeslage den Auskunftsanspruch bei Videoaufzeichnungen klar festlegt. Gem. § 50e DSG 2000 ist dem Auskunftswerber, nachdem dieser den Zeitraum, in dem er möglicherweise von der Überwachung betroffen war, und den Ort möglichst genau benannt und seine Identität in geeigneter Form nachgewiesen hat, Auskunft über die zu seiner Person verarbeiteten Daten durch Übersendung einer Kopie der zu seiner Person verarbeiteten Daten in einem üblichen technischen Format zu gewähren. Alternativ kann der Auskunftswerber eine Einsichtnahme auf Lesegeräten des Auftraggebers verlangen, wobei ihm auch in diesem Fall die Ausfolgung einer Kopie zusteht.  § 26 Abs. 2 DSG  ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass in dem Fall, dass eine Auskunft wegen überwiegender berechtigter Interessen Dritter oder des Auftraggebers nicht in der in Abs. 1 geregelten Form erteilt werden kann, der Auskunftswerber Anspruch auf eine schriftliche Beschreibung seines von der Überwachung verarbeiteten Verhaltens oder auf eine Auskunft unter Unkenntlichmachung der anderen Personen hat.

Die Gesetzeslage ist daher eindeutig: Grundsätzlich besteht Auskunftsanspruch unter Übersendung einer Kopie seiner Daten in einem entsprechenden technischen Format. Dann, wenn überwiegende Interessen entgegen stehen, ist eine Auskunft unter Beschreibung des Verhaltens des Betroffenen zu erteilen. Von einer Einschränkung, dass ein Auskunftsanspruch überhaupt nur dann zustehen sollte, wenn die Daten bereits ausgewertet worden seien - wie es die DSK herbeikonstruiert - erwähnt das Gesetz kein Wort. Ein Auskunftsanspruch, der sich auf die wenigen Fälle tatsächlich bereits erfolgter Auswertungen beschränken würde, wäre letztendlich auch völlig sinnlos.

Die DSK hätte daher jedenfalls die Verletzung des Auskunftsrechts durch die ÖBB feststellen müssen. Für den Fall, dass eine Auskunftserteilung nicht ohne Beeinträchtigung Dritter möglich gewesen wäre, wäre zumindest eine schriftliche Beschreibung an den Auskunftswerber zu übermitteln gewesen.

Resumee

Bemerkenswert ist an der Entscheidung vor allem, dass die DSK trotz erfolgter gesetzlicher Klarstellung an früheren Fehlentscheidungen festhält. Aus der Novelle des DSG geht klar hervor, dass der Gesetzgeber eine Videoaufzeichnung ohne gesetzliche Auskunftsmöglichkeit Betroffener nicht wünscht. Unter dem Vorwand, die Rechte Dritter schützen zu wollen, setzt sich die DSK nun über diese völlig eindeutige Regelung hinweg. Wer auf einen Fortschritt mit der Novellierung des DSG gehofft hat, wurde enttäuscht.

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