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2020/08/14 Corona-App - nicht praxistauglich
Hans G. Zeger
Hype um Corona-App - Lotto-Gewinn wahrscheinlicher - falsche Sicherheit - Spielzeug für bildungsferne Politiker - Aktionismus statt Exit-Strategie - Grüne scheitern an den eigenen Ansprüchen - Apple und Google versprechen Abhilfe - ARGE DATEN Empfehlung: Finger weg von der App

Hype um Corona-App

Seit Wochen wurde sie als Allheilmittel gegen das Corona-Virus angekündigt, die "Stopp-Corona-App". Naiven Politikern und Bürgern wird suggeriert, dass mittels eines Computerprogramms das Virus bekämpft werden kann.

Was soll die App leisten?

Potentielle Infektionssituationen aufzeichnen. Als potentieller Infektionsweg gelten (a) direkte Berührung (Handschlag, ...) mit einem Infizierten, (b) direkte Tröpfchenimmission durch einen Infizierten (dazu ist eine Distanz unter 2 Metern erforderlich und der Infizierte hat keinen Mundschutz) oder (c) das Berühren kontaminierter Flächen innerhalb von etwa 72 Stunden.

Weder (a) noch (c) kann die App leisten, behauptet sie auch nicht. Sie kann weder feststellen, ob jemanden die Hand gegeben wurde, noch ob eine kontaminierte Fläche berührt wurde.

Bleibt die Distanzmessung. Ein kurzer Blick auf die technischen Möglichkeiten eines Smartphones hätte rasch Ernüchterung gebracht. Smartphones kennen grundsätzlich zwei Methoden der Standort-Bestimmung, die GPS-Erfassung und die Funkzellen-Ortung.

Mittels GPS kann bis auf eine Genauigkeit von etwa 2 Metern der Standort eines Benutzers bestimmt werden, nicht optimal für die Corona-Vorgaben. So können auf diesen Weg sowohl Fälle mit bis zu 4 Metern als gefährlich eingestuft werden, obwohl sie unproblematisch sind, als auch Fälle unter 2 Metern als NICHT gefährlich eingestuft werden, obwohl sie problematisch sind. Experten sprechen von hohen FAR (False Acception Rate) und hohen FRR (False Rejection Rate). Der gravierendste Nachteil ist, dass GPS in Gebäuden, U-Bahnen usw. nicht funktioniert. Hier würden die Smartphones schlicht den letzten GPS-Empfang speichern. Auf diesen Weg würden an frequentierten Orten (U-Bahn-Eingängen, Büro-Eingängen, Supermärkten, ...) rasch hunderte zu "Kontaktpersonen" werden.


Schlechter als Zufall

Die Matching-Wahrscheinlichkeit - also die Tatsache, dass ein aufgezeichneter Match auch ein tatsächlicher Kontakt innerhalb von 2 Metern ist - liegt bei dieser Lösung bei weniger als 1 Promille. 1 von 1000 aufgezeichneten Kontakten wäre dann tatsächlich ein potentieller Übertragungsweg. Um diesen einen zu finden, müssten aber 1000 getestet werden. Die Zufallsauswahl bei Tests würde ein besseres Ergebnis bringen.

Noch schlechter wären die Ergebnisse bei einer Standortbestimmung mittels Funkzelle. Hier wären die Abweichungen zwischen 20 und 200 Metern, offensichtlich für eine derartige App ungeeignet.


Bluetooth keine Alternative

Präsentiert wurde Bluetooth als Allheilmittel der Distanzmessung. Bluetooth hat den Vorteil, dass es auch in geschlossenen Räumen funktioniert, vermeidet also die GPS-Probleme. Der Hauptnachteil ist jedoch, es ist weder für Standort-Bestimmung, noch Distanz-Messung konzipiert.

Daher verwenden die famosen App-Designer eine Vielzahl von Annahmen um aus der Stärke des Bluetooth-Signals die Entfernung abzuleiten. Bei bekannten Geräten und unter Laborbedingungen ist das auch möglich. Hier könnten Genauigkeiten von etwa einem halben Meter erzielt werden. Nicht jedoch im realen Leben.

Unterschiedliche Geräte, bauliche Besonderheiten, Störsignale, unterschiedlicher Ladezustand oder auch die Art der Aufbewahrung des Smartphones beeinflussen extrem stark die Signalstärke und führen letztlich zu Fehlinterpretationen bis zu 5 Metern. Bluetooth funktioniert zwar überall, aber was die Entfernungsmessung betrifft schlechter als GPS.

Die Matching-Wahrscheinlichkeit - also die Tatsache, dass ein aufgezeichneter Match auch ein tatsächlicher Kontakt innerhalb von 2 Metern ist - liegt bei einer Bluetooth-App optimistisch geschätzt bei höchsten 25%, realistisch sind es 10%. Dieser Wert wird jedoch unterlaufen, da bei der App die willkürliche Annahme eines 15 Minuten-Kontakts verlangt wird. Eine Vorgabe, die im öffentlichen Raum nur bei längeren Reisen tatsächlich erreicht wird. Dort ist jedoch schon Mundschutz vorgesehen.


Nur im öffentlichen Raum sinnvoll

Eine derartige App macht nur im öffentlichen Raum Sinn, im eigenen Haushalt ist die Zahl der möglichen Kontakt-Personen überschaubar. Gerade im öffentlichen Raum existieren jedoch eine Reihe sinnvoller Schutzmaßnahmen, die die Wahrscheinlichkeit eines echten Matches, also eines aufgezeichneten Kontaktes der tatsächlich zu einer Übertragung führt extrem reduziert.


Lotto-Gewinn wahrscheinlicher

Nimmt man die derzeitige offizielle Durchseuchungsrate (weniger als 1%), die Nutzungsrate der Corona-App (ebenfalls weniger als 1%), die Genauigkeit der Messung (bestenfalls 25% Treffsicherheit) und der Wahrscheinlichkeit, dass das Gegenüber im öffentlichen Raum keine Maske trägt bei 10%, ergibt sich die Matching-Wahrscheinlichkeit von 1 zu 400.000 Das heißt es müssten 400.000 Personen getestet werden um den einen tatsächlichen Corona-App-Matching-Fall zu finden. Das Ereignis wäre schlechter als eine Zufallstest-Stichprobe.

Tatsächlich würde man auf bei einer derartigen breiten Testung wohl knapp 1000 sonstige Corona-Infizierte finden, die nicht den Kriterien der Corona-App entsprachen. Dann kann man jedoch gleich zum flächendeckenden Test übergehen.

Im übrigen würde der Test von 400.000 Personen bei den derzeitigen Kapazitäten etwa 40 Tage dauern, Corona wäre in dieser Zeit wohl schon überstanden, man läge im Spital oder wäre tot.

Das realistischste Szenario ist jedoch, dass mit dieser App schlicht keine zusätzlichen Infizierten gefunden werden, aber der Bevölkerung wird falsche Sicherheit vorgegauckelt.


EU-Corona-App keine Alternative

Auch die groß angekündigte EU-Corona-App ist keine Alternative, kocht sie ebenfalls nur mit dem ungeeigneten Bluetooth-Wasser. Standardisierte Vorgaben zu Desinfektion, Abstand halten, Verwendung von Schutzausrüstung und systematischer Testplan wären effektivere Maßnahmen und rascher flächendeckend umzusetzen.


Tracking möglich

Um Missverständnisse zu vermeiden, wird Tracking als sinnvolle Maßnahme der Epidemie-Bekämpfung angesehen, dann könnte man es auch funktionsfähig einführen. Dazu wäre aber eine flächendeckende Überwachungsinfrastruktur erforderlich, bei der das Smartphone nur eine Hilfsrolle spielt.

Alle relevanten Hotspots (Spitäler, Heime, Geschäfte, Verkehrsmittel, Bürohäuser, Plätze, Kreuzungen, ...) müssten mit Erfassungsstationen ausgestattet werden, die jede daran vorbeikommende Person registriert. Denkbar wäre hier der Einsatz der NFC-Technologie. Die meisten Bankomatkarten sind damit ausgestattet, aber auch Reisepässe wären grundsätzlich geeignet und für alle anderen müsste eine entsprechende Karte ausgeteilt werden.

Eine Debatte zu diesem Schritt ist überfällig. Das Corona-Virus ist gekommen um zu bleiben. Für die nächsten 6-12 Monate wird man eine Exit-Strategie aus dem derzeitigen Stillstand benötigen.


Grüne scheitern an den eigenen Ansprüchen

Die Corona-Krise wäre der ideale Zeitpunkt Transparenz zu leben. Die Bevölkerung ist bereit jede sinnvolle Maßnahme mitzutragen. Es erwartet sich eine offene Gesellschaft jedoch auch offene Kommunikation.

Genau das Gegenteil erfolgt. In Metternichscher Geheimkabinett-Manier erklären uns Kurz, Anschober und Co täglich, dass geheimnisvolle Experten dieses und jenes für notwendig erachten, obwohl längst jede Menge anderer Experten vor den zahllosen überschießenden und sinnlosen Maßnahmen warnen.

Jeden Tag entstehen neue Experten-Sesselkreise, neue Erlässe und neue "gute" Ratschläge. Österreich benötigt jedoch keine Bevormundungsregierung, sondern Transparenz.

Die offenen Fragen sind zahllos, die Antworten dünn:
- Wer sind die vielen Experten?
- Welchen Interessen sind sie verpflichtet?
- Welche Kapazitäten bei den Tests gibt es tatsächlich?
- Wieviel der notwendigen Reagenzien können tatsächlich im Land erzeugt werden?
- Wieviel Schutzausrüstung wird tatsächlich im Land produziert?
- Wieviel medizinische Eingriffe wurden bisher verschoben?
- Um wieviel hat sich das Gesundheitsrisiko bei allen Nicht-Corona-Patienten erhöht?
- Was machen die vielen Ärzte derzeit im Home-Office?
- Wie viele Personen sind nach Schließung diverser Einrichtungen ohne ausreichende Rehabilitation, Pflege, Betreuung?
- Wie sieht die Logistik im Bereich Schutzausrüstung, Krankentransporte, Testung aus?
- Wie schaut der kurz-, mittel- und langfristige Testplan aus?
- Wie wird ein minimales Bildungsniveau in diesem Schuljahr sicher gestellt?
- Wer evaluiert dieses Bildungsniveau?
- Wie sieht die Exit-Strategie aus der Isolations-Strategie aus?

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Bei vielen Punkten gibt sich die Regierung bedeckt, bei weiteren gibt es bloß kryptische Sprechblasen. "Fahren auf Sicht" ist die Devise. Ein Begriff aus der Schifffahrt, wenn man im Nebel keine Orientierung mehr hat.

Von der von den Grünen viel beschworenen Transparenz ist nichts geblieben, soll damit die Orientierungslosigkeit der Regierung verschleiert werden?


Resümee: Finger weg von der Corona-App

Ein aktionistisches Signal bildungsferner Politiker um von fehlenden Strategien abzulenken und weiter in Intransparenz zu verharren.

Wer diese App nutzt riskiert früher oder später in den Verdachtskreis der Infizierten zu geraten, mit allen Konsequenzen der Bewegungsbeschränkung, zusätzlicher Tests, Isolation und Stigmatisierung. Er wird zum Risikoträger obwohl die Wahrscheinlichkeit auf Grund der Mängel dieser Apps bei 1:1000 liegt tatsächlich mit einem Infizierten in Kontakt gewesen zu sein, von der Wahrscheinlichkeit der eigenen Infektion ganz zu schweigen.

Die ARGE DATEN Empfehlung: Finger weg von der App, vernünftige Distanz halten, regelmäßiges Hände waschen.


Smartphones mit Distanzmessung möglich

Aber wäre es nicht trotzdem möglich eine funktionierende Smartphone-App zu schaffen, die Distanzmessung ohne eigene Überwachungsinfrastruktur ermöglich? Grundsätzlich ja.

Smartphones können Bilder aufnehmen, weil sie eine Kamera eingebaut haben, sie können den Standort erfassen, weil sie einen GPS-Empfänger eingebaut haben, sie können das Anzeigeformat des Displays ändern, weil sie einen Bewegungssensor haben. Sie können nichts, wozu sie keinen Sensor haben.

Die Abstandsmessung zwischen zwei Geräten ist technisch relativ einfach möglich, müsste aber eingebaut sein. Ähnlich einem Radar oder einem Echolot könnte der Abstand zwischen zwei Smartphones zentimetergenau gemessen werden. Dazu wären aufeinander abgestimmte Sender und Transponder in allen Smartphones notwendig, diese fehlen derzeit.

Apple und Google haben diesen Mangel erkannt. Die nächste Smartphonegeneration wird dieses Feature wohl enthalten, zu spät für Corona, aber wohl rechtzeitig genug für viele "schöne" neue Trackinganwendungen die uns alle dann "beschützen".


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