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2012/02/01 Gesetzeswidrige Datenabfragen - kein Amtsmissbrauch durch Beamte?
MMag. Michael Krenn
Gerichtsentscheidungen zeigen immer öfter, dass missbräuchliche Datenabfragen durch Amtspersonen in Österreich kein Kavaliersdelikt darstellen, sondern strafgerichtlich zu verurteilen sind. Nach dem 2011 publik gewordenen Justizskandal, wo Rechtspfleger in Gewinnabsicht massenweise Exekutionsdaten abgefragt hatten, musste sich der OGH mit zwei weiteren Fällen von Amtsmissbrauch beschäftigen.

Abfragen zu Sachwalterschaftsverfahren im privaten Interesse

Im ersten Fall OGH 11Os144/11b hatte eine Rechtspflegerin eines Wiener Bezirksgerichts im privaten Interesse personenbezogene Daten eines Sachwalterschaftsverfahrens abgefragt. Aufgrund der Tatsache, dass insgesamt 353 Zugriffe unter Eingabe der Aktenzahl und 63 Zugriffe durch Namensabfragen erfolgten, war den Behörden der Missbrauch aufgefallen. Die Täterin wurde daraufhin in erster Instanz verurteilt. Sie rechtfertigete sich, weder in Schädigungs- noch Bereicherungsabsicht gehandelt zu haben und brachte Nichtigkeitsbeschwerde ein.


OGH: Eingriff in Grundrecht auf Datenschutz stellt Schädigung dar

Diesem Argument konnte der OGH nichts abgewinnen. Die Abfrage von personenbezogenen und teilweise sensiblen Daten wie Namen, Geburtsdaten, Gesundheitszustand und Wohnadressen Dritter ohne dienstliches Interesse verletzt das Grundrecht auf Datenschutz der Betroffenen und ist daher Missbrauch. Es bedarf aus dem Blickwinkel des § 302 Abs 1 StGB keines darüber hinausgehenden Offenbarungs- oder Verwertungsvorsatzes mehr und keines weiteren Schädigungs- bzw. Bereicherungsvorsatzes.


Zugriff auf Meldedaten als Datenschutzverletzung?

Im zweiten Fall OGH 11Os105/11t hatte ein Finanzbeamter aus rein privater Motivation die Daten von sechs Personen aus der ZMR-Anwendung abgefragt. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten gem. § 302 StGB, da er die für Zentralmeldeauskünfte vorgeschriebenen Abgaben und Gebühren nicht bezahlt hatte und somit den Staat, dem die Gebühren bei regulärer Vorgehensweise zufließen, geschädigt hatte. Die Nichtigkeitsbeschwerde an den OGH verlief hier erfolgreicher als im ersten Fall.


OGH: Missbräuchliche Meldeanfragen nicht strafbar?

In diesem Fall war das gezielte unbefugte Beschaffen von personenbezogenen Daten nach Meinung des OGH nicht nur unter dem Aspekt einer möglichen Datenschutzverletzung zu prüfen, sondern auch danach ob der Beschuldige in der Absicht gehandelt hatte, die Betroffenen in ihrem Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG zu schädigen.

Meldedaten sind gemäß § 16 Abs 1 MeldeG öffentlich und unterliegen nicht dem Geheimnisschutz. Der Hauptwohnsitz eines Menschen oder jener Wohnsitz, an dem dieser Mensch zuletzt mit Hauptwohnsitz gemeldet war, kann abgefragt werden kann, wenn der Anfragende den Menschen durch Vor- und Nach- oder Familiennamen sowie zumindest ein weiteres Merkmal bestimmen kann und der Anfragende seine eigene Stammzahl zur Verfügung stellt. In diesen Fällen würde ein deliktisches Verhalten nach § 302 Abs 1 StGB den Vorsatz erfordern, ein (anderes) konkretes Recht zu verletzen, etwa des Staates auf Einhebung von Verwaltungsgebühren für die Erteilung von Auskünften, allein das Abfragen öffentlicher Daten ohne Schädigungsabsicht wäre noch kein Amtsmissbrauch so der OGH.


Diese ungewöhnliche gerichtliche Zurückhaltung verwundert aus zwei Gründen:

Erstens hat der Beschuldigte durch die amtswegige Abfrage jene Gebühren nicht zu bezahlt, welche jedem Bürger bei derartigen Abfragen anfallen. Gewöhnlicherweise gehen die Strafgerichte in derartigen Konstellationen davon aus, dass sich die subjektive Tatseite (Schädigungsabsicht) bereits aus dem objektiven Tatablauf ergibt.

Zweitens hat der Abfragende den gesetzlich vorgesehenen Datenverwendungsweg nicht eingehalten (allgemeine Abfrage für Normalbürger), sondern eine amtliche Abfrage durchgeführt, welche diesem nur unter bestimmten – nicht gegebenen- Voraussetzungen gestattet gewesen wäre. Dass der Abfragende grundsätzlich auch auf rechtmäßige Weise an die personenbezogenen Daten hätte gelangen können, kann bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens wohl keine Rolle spielen. Insoferne wäre auch hier jedenfalls ein Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz anzunehmen gewesen. Amtsmissbrauch wäre daher klar zu bejahen gewesen.


Resumee

Die rechtswidrige Abfrage personenbezogener Daten durch Amtspersonen kann in zweifacher Hinsicht gerichtlich strafbar sein: Einerseits existiert die Bestimmung des § 51 DSG, welche auf jeden Bürger anwendbar ist und den Missbrauch personenbezogener Daten in Gewinn- oder Schädigungsabsicht unter Strafe stellt.

Daneben gibt es die spezielle Bestimmung des Amtsmissbrauchs gem. § 302 StGB, welche sich gesondert an Amtspersonen richtet. Laut OGH ist der Vorsatz des Täters, jene Person, deren personenbezogenen Daten er zielgerichtet erlangt, in ihrem Grundrecht auf Datenschutz zu schädigen bereits Amtsmissbrach. Es bedarf aus dem Blickwinkel des § 302 Abs 1 StGB keines darüber hinausgehenden Offenbarungs- oder Verwertungsvorsatzes des Beamten mehr.

Erfreulich ist, dass derartige Missbräuche in Österreich offenbar ernst genommen werden, da die Zahl strafgerichtlicher Verurteilungen im Zunehmen ist.


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