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2010/04/18 Private Radarüberwachung durch Gemeinden zulässig? VwGH hebt DSK-Entscheidung auf
MMag. Michael Krenn
Vor zwei Jahren hat eine Entscheidung der DSK für Aufregung in der Medienwelt gesorgt (K121.359/0016-DSK/2008). Da es für eine Verkehrsüberwachung durch Gemeinden keine gesetzliche Grundlage gibt, wurde diese durch die DSK als rechtswidrig beurteilt. Seither fordern österreichische Gemeinden, ihr "Recht" auf Radarüberwachung ein.

Ein Erkenntnis des VwGH (2008/17/0152) könnte den Begehrlichkeiten der Gemeinden Auftrieb geben: Aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs ist die Verkehrsüberwachung durch Gemeinden nicht grundsätzlich als rechtswidrig.

Entscheidung der DSK

Immer mehr österreichische Gemeinden kamen in den vergangenen Jahren auf die Idee, in ihrem Gemeindegebiet selbst Radarüberwachungen durchzuführen. Die technische Durchführung wurde meist privaten Unternehmen übertragen, die erfassten KFZ-Kennzeichen wurden an die Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt.

Eine auf Grund derartiger Überwachung erlassene Strafverfügung hatte zu einer Beschwerde bei der Datenschutzkommission geführt. Eindeutig der Bescheid der DSK: Gemäß §94b StVO fällt die Überwachung der straßenpolizeilichen Vorschriften - so auch die Einhaltung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit - in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde. Gemeinden, so wie andere Behörden dürften Daten nur auf Grund übertragener gesetzlicher Befugnisse sammeln, für die Verkehrsüberwachung fehle den Gemeinden diese Befugnis. Da die betroffene Gemeinde selbst als datenschutzrechtliche Auftraggeberin auftrat und mittels eines privatrechtlichen Vertrages die Überwachung an ein Privatunternehmen delegierte, wurde die gesamte Datenanwendung von der DSK als rechtswidrig eingestuft.

VwGH: Radarüberwachung doch rechtens?

Die Gemeinde erhob gegen den Bescheid der DSK Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. In ihrer Beschwerde brachte sie vor, dass sie bei der Beauftragung der Radarmessung nicht hoheitlich - in Ausübung der Verkehrspolizei-  sondern vielmehr im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig gewesen sei. Die Dokumentation des Geschehens auf öffentlichen Straßen, wie dies durch derartige Anlagen geschehe, umfasse keinesfalls Aktivitäten, wie sie der Polizeibegriff voraussetze. Die Datenschutzkommission vertrat in ihrer Gegenschrift die Ansicht, die Beschwerde sei unzulässig. Die Gemeinde könne sich nicht darauf berufen, bei der systematischen Verkehrspolizeiaktion als Trägerin von Privatrechten gehandelt zu haben.

In seinem Erkenntnis argumentiert der der VwGH sinngemäß, die DSK habe nicht berücksichtigt, dass auch Gemeinden privatrechtlich handeln könnten. Für Auftraggeber, die nicht dem öffentlichen Bereich angehörten, verlange das Gesetz eine entsprechende "Befugnis" und die Beurteilung, ob schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen verletzt werden oder nicht, was die DSK nicht geprüft habe. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Straßenverkehrsordnung in § 94 b Abs. 1 lit. a die Verkehrspolizei zwar als Überwachungsorgan der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften definiere, jedoch nicht danach differenziere, ob technische Hilfsmittel (wie Radargeräte) eingesetzt würden oder nicht. Gründe dafür, warum eine - auch planmäßige - "Verkehrsüberwachung" durch Privatpersonen auf Grund dieser Bestimmung unzulässig sein sollten, seien dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Radarüberwachung als Privatvergnügen?

Die Entscheidung hat zunächst zur Folge, dass die DSK - begleitet unter dem Getöse des Gemeindebundes - einen neuen Bescheid zu fällen hat, mit welchem sie die privatrechtliche Zulässigkeit der Überwachung prüfen muss. Der VwGH begibt sich mit seiner Argumentation, jeder könne eine private Radarüberwachung betreiben, auf rechtlich äußerst dünnes Eis, wenn er dem Argument der Gemeinde „man habe ohnedies nur privatrechtlich gehandelt“, Recht gibt. Natürlich kann eine Gemeinde - so wie jede andere Körperschaft - auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig werden. Der VwGH selbst zitiert allerdings § 94 b Abs 1 StVO, welcher die systematische Verkehrsüberwachung als Polizeiaufgabe definiert, die wiederum bestimmten Behörden - den Bezirksverwaltungsbehörden - zugeordnet ist. Diese Kompetenzverteilung hat der Gesetzgeber nicht umsonst getroffen, das Argument „wenn es hoheitlich nicht geht, machen wir es eben privatwirtschaftlich“ ist in keiner Weise nachvollziehbar. Zumindest dort, wo eine bestimmte Aufgabe als hoheitliche Tätigkeit definiert und einer bestimmten Behörde zugeordnet ist, muss es ein unzulässiger Missbrauch sein, wenn eine andere Behörde die idente Tätigkeit unter dem Mantel „Privatwirtschaftsverwaltung“ übernimmt.

Radarüberwachung als Cash-cow für jedermann?

Die Folgen des VwGH-Erkenntnisses sind unkalkulierbar. Wenn Gemeinden tatsächlich als „Privatpersonen“ radarüberwachen dürfen, ist nicht einsichtig, warum dies sonstigen Bürgern verwehrt sein sollte. Im Endeffekt könnten nicht nur ein paar Provinzhäuptlinge versuchen, für ihre Gemeinden auf Kosten der Autofahrer Einnahmen zu lukrieren, sondern auch Privatpersonen auf die Idee kommen, Autofahrer systematisch „abzublitzen“. Was von Besitzstörungsverfahren (Rechtsanwaltsbrief mit Zahlungsforderung an den Autofahrer, sonst Anzeige oder Klage) wohlbekannt ist, würde dann auch bei Geschwindigkeitsübertretungen eintreffen. An einer derartigen Situation - die natürlich mir Verkehrssicherheit nicht mehr das geringste zu tun hat - kann kein vernünftiger Mensch interessiert sein. Außerdem ist das Erkenntnis ein weiterer Stein auf dem Weg der Auslagerung von Behördenaufgaben in die Hände von Privatpersonen: Private Videoüberwachung, Sicherheitsdienste, nunmehr auch „Privatradars“? Eine bedenkliche Entwicklung, die mit einem Rechtsstaat wenig vereinbar ist.

Resumee

Festgehalten werden muss, dass die Wünsche der Gemeinden auch mit Verkehrssicherheit nichts mehr zu tun haben. Natürlich spricht nichts gegen Radarüberwachung an gefährlichen Stellen, um Raser zu identifizieren. Radarfallen unmittelbar nach der Ortseinfahrt, um möglichst viele Personen abzublitzen, die ihr Fahrzeug noch „ausrollen“ lassen, haben damit nichts zu tun. Der Gemeindebund ist in seinen Aussendungen sogar so ungeniert, unumwunden den Einkommensverlust der durch das Wegfallen der privaten Radarmessungen entsteht, zu beklagen und ist nicht einmal mehr um den Sicherheitsvorwand bemüht.

mehr --> VwGH Entscheidung 2008/17/0152

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