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2007/04/24 Elektronische Gesundheitssysteme erleichtern Verbreitung falscher Patientendaten
Während noch alle über die angeblichen Vorteile von ELGA spekulieren liefert ein problematischer DSK-Bescheid einen ersten Vorgeschmack worauf sich Patienten einstellen müssen - falsche Gesundheitsdaten werden lebenslänglich weiterverbreitet - amtlich durch die DSK abgesegnet - Diagnosen sind bloß Meinungen, die nicht berichtigbar sind - für ELGA werden schon jetzt Unsummen ausgegeben und verplant, obwohl derzeit noch keinerlei Rechtsgrundlage für die Umsetzung existiert

Mit 1. September 2006 gab das Gesundheitsministerium den Startschuss für den sogenannten "Elektronischen lebenslangen Gesundheitsakt" ELGA. Von Verantwortungsträgern wird immer wieder auf die Vorteile des  sogenannten "e-health" und die Wahrung der Datenschutzrechte betroffener Patienten verwiesen.

Eine aktuelle Entscheidung der Datenschutzkommission (K121.246/0008-DSK/2007) zeigt nun, dass aufgrund des sehr eigenwilligen Zugangs der Datenschutzkommission zum allgemeinen Sachverständigenurteil - im besonderen zum ärztlichen Befund und dessen Inhalt - mit dem Elektronischen Gesundheitsakt auch zahlreiche inhaltlich unrichtige Gesundheitsdaten von Betroffenen Verbreitung finden und lebenslang zentral gespeichert werden. Die Patienten hätten nicht einmal die Möglichkeit, inhaltlich falsche Diagnosen richtigstellen oder löschen zu lassen. Die DSK möchte keine Möglichkeit mehr zulassen, bei inhaltlich unrichtigen Gesundheitsdaten richtigstellende Anmerkungen hinzuzufügen.


Was ist ELGA?

Grundidee des Elektronischen Gesundheitsaktes ELGA ist es, eine zentrale  Verfügbarkeit sämtlicher Gesundheitsdaten eines Patienten zu ermöglichen und damit verschiedenen Gesundheitsdiensteanbietern (Spital, Ambulanzen, niedergelassene Ärzte) bereichsübergreifend die für die Behandlung notwendigen Informationen auf Abruf zur Verfügung zu stellen. Realisiert wird diese allgemeine Verfügbarkeit durch einen komplexen Index-Mechanismus, der dazu führt, dass jede Patienteninformation, egal ob sie bei den Sozialversicherungsstellen zentral gespeichert ist, ob sie in den Spitälern, bei Ärzten oder in Labors anfällt, von jedem beliebigen Ort abgerufen werden und in eine gemeinsame Akte zusammengefasst werden kann.

Betont wird von Befürwortern stets die angebliche Erleichterung der Kommunikation, die Möglichkeit der Erstellung effizienter Befunde, die Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen sowie Kostenerleichterungen, welche dieses System mit sich bringen soll.

Zuletzt arbeitete man im Gesundheitsministerium an einer Machbarkeitsstudie, es sammeln sich die Auftraggeber, Länder, Bund und Sozialversicherung und finden heraus, wie ELGA umgesetzt werden soll.

Die erste Ausbaustufe soll ab 2008 gestartet werden. Schon jetzt werden Unsummen in sogenannte Teilmodule gesteckt, obwohl keinerlei gesetzliche Grundlage für ELGA existiert.


Bedenkliche DSK-Entscheidung K121.246/0008-DSK/2007

Anlass für die höchst eigenwillige und letztlich für die Patienten gefährliche Entscheidung war der Fall eines Patienten, der in einem Landeskrankenhaus kieferorthopädisch behandelt worden war. In Bezug auf den Beschwerdeführer, der mit der durchgeführten Behandlung unzufrieden gewesen war, war im automationsunterstützten Ambulanzprotokoll des Krankenhauses die Bemerkung gespeichert worden, dieser scheine "psychisch stark belastet", weshalb ihm eine bestimmte Behandlung nicht zugemutet werden könne.

Verfasser der Eintragung war ein Zahnarzt, somit kein Experte für psychische Krankheiten. Der betroffene Patient begehrte die Löschung des Eintrags aus dem Ambulanzprotokoll, was durch das Landeskrankenhaus abgelehnt wurde. Daher wandte sich der Beschwerdeführer an die Datenschutzkommission und führte dort ergänzend aus, mit der Eintragung sei ihm der Zugang zu bestimmten Behandlungsmöglichkeiten verwehrt worden, in Wirklichkeit sei der Grund, warum man ihn diese nicht gewähren wolle, aber ein anderer. Weiters sei durch das LKH nicht einmal versucht worden, die inhaltliche Richtigkeit der Anmerkung zu beweisen.


Fehlerhafte Diagnose als Beschwerdegrund

Bezüglich des vorgebrachten Sachverhaltes herrschte zwischen Beschwerdeführer und Beschwerdegegnerin relative Einigkeit, insoferne ergaben sich kaum Probleme bei der Sachverhaltsfeststellung durch die DSK. Interessant wird die Angelegenheit allerdings mit der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts.

Zunächst wurde klargestellt, dass es sich bei dem Ambulanzprotokoll, welches nach den verschiedenen Landeskrankenanstaltengesetzen als Krankengeschichte zu führen ist, um eine sogenannte Datenverwendung mit Dokumentationszweck nach § 27 Abs. 3 DSG handelt. Rechtliche Konsequenz dieser Einstufung ist zunächst, dass bei Datenverwendungen dieser Art entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, die Löschung der verwendeten Daten überhaupt nicht möglich ist, selbst wenn sie inhaltlich unrichtig sind. Begründet wird diese Ausnahmeregelung durch den Gesetzgeber damit, dass Daten dieser Art dazu dienen, ein tatsächliches Geschehen lückenlos zu dokumentieren. Statt der Löschung hat der Gesetzgeber für Datenverwendungen dieser Art die grundsätzliche Möglichkeit vorgesehen, bei inhaltlicher Unrichtigkeit der Daten richtigstellende Anmerkungen hinzuzufügen zu lassen.


Keine Möglichkeit der Richtigstellung?

Sollte man nun annehmen, die DSK würde dem Patienten, dem schon das Recht auf Löschung verweigert wird, zumindest ermöglichen, durch Zufügen ergänzender Bemerkungen die Korrektur solcher Gesundheitsdaten ermöglichen, sofern sie sich tatsächlich als unrichtig erweisen, liegt man weit daneben. Die DSK gelangt letztendlich nämlich zu der Auffassung, die Dokumentation der Krankengeschichte diene der Dokumentation der medizinischen Urteile der behandelnden Ärzte. Die Korrektur eines Medizinerurteils durch einen Patienten sei grundsätzlich weder im Landeskrankenanstaltengesetz noch im DSG vorgesehen. Maßstab für die Richtigkeit sei somit alleine die Frage, ob das Medizinerurteil auch in der verarbeiteten Datei richtig wiedergegeben worden sei, nur im Falle, dass ein medizinischer Befund unrichtig übernommen worden sei, könne der Patient die Richtigstellung mit ergänzenden Anmerkungen verlangen. Daher wurde die Beschwerde abgewiesen.


DSK meint offenbar, dass Ärzte unfehlbar sind

Zunächst ist festzuhalten, dass man in der DSK offenbar einen etwas befremdlichen Zugang zum Begriff der Datenrichtigkeit zu haben scheint. Überspitzt könnte man die Aussage der Entscheidung zusammenfassen: Richtig ist nicht, was stimmt, sondern was der Arzt sagt.

Zusätzliche Brisanz erhält die Angelegenheit dadurch, dass die DSK ihre Rechtsauffassung nicht auf medizinische Befunde beschränkt sondern für alle Beurteilungen, welche durch "Personen mit einem bestimmten Sachverstand " getroffen wurden und in eine Datenverwendung mit Dokumentationszweck einfließen, gelten sehen will.

Dazu ist einerseits festzuhalten, dass gerade im konkreten Fall gar kein Sachverständiger für psychische Krankheiten eine Bewertung des psychischen Zustands des Patienten abgegeben hat sondern ein Zahnarzt. Dem gesetzlichen Sachverständigenbegriff entspricht dieser jedenfalls nicht.

Weiters ist nachzufragen, wie Betroffene eigentlich dazu kommen, dass in Datenverwendungen, die für Dritte einsehbar sind, sensible Daten verwendet werden, deren Richtigkeit nie überhaupt nachvollziehbar gemacht werden muss und keine Chance besteht- selbst bei erwiesener Unrichtigkeit !- solche Medizinerurteile richtigstellen zu lassen.


Patientengefährdung

Die Ausnahmeregelung für Daten mit Dokumentationszweck wurde geschaffen, um zu verhindern, dass Informationen, deren vollständige Einsehbarkeit vor allem im Betroffeneninteresse von Bedeutung ist, vollständig gelöscht werden. Letztlich soll die entsprechende Regelung daher vor allem Patienteninteressen dienen und etwa verhindern, dass ein Patient mit der Begründung, die Daten seien nicht mehr aktuell, frühere Krankheitsdaten löschen lässt und sich damit letztendlich selbst gefährdet.

Worin der medizinische Nutzen einer allgemeinen Beurteilung, der Patient wirke psychisch belastet, die noch dazu durch eine fachfremde Person getroffen wurde, liegen soll, ist schon grundsätzlich fragwürdig. Daher sollte überlegt werden, ob Bewertungen dieser Art tatsächlich vom medizinischen Dokumentationszweck umfasst sein können.

Vor allem widerspricht die Auffassung der DSK aber dem Grundsatz der Datenrichtigkeit nach § 1 DSG fundamental. Was passiert in der Praxis, falls tatsächlich medizinische Fehlurteile getroffen wurden? Müssen diese unkommentiert in der Krankengeschichte stehen bleiben? Nach Auffassung der DSK offenbar ja. Wie soll dann aber ein Mediziner-  etwa bei Nachfolgebehandlungen - wissen, welche medizinischen Bewertungen inhaltlich richtig, welche dagegen falsch waren?

Die Regelung des § 27 Abs. 3 DSG ist im Interesse des Patienten gut gemeint. Will man allerdings im Sinne der DSK ein ärztliches Unfehlbarkeitsdogma daraus konstruieren, stellt sie für den Patienten letztendlich nicht nur einen Eingriff in dessen Datenschutzrechte sondern auch eine immanente gesundheitliche Gefährdung dar.


Fazit

Mit ihrer realitätsfernen Entscheidung liegt die DSK falsch und gefährdet letztendlich Patienteninteressen. Durch die Einführung des ELGA -Systems wird die Verbreitung solcher unrichtiger Daten zusätzlich gefördert. Man sieht an diesem Anlassfall, wie wenig den Beteuerungen Glauben zu schenken ist, die Datenschutzinteressen von Patienten wären im Rahmen des ELGA-Systems gewahrt.

Archiv --> E-CARD und andere gesundheitsbezogene Themen
Archiv --> http://ftp.freenet.at/beh/K121.246_0008-DSK_2007.pdf

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